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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Schulgeländes anschließt, wachsen menschliche Sträucher, gefangene Paare umarmen einander leidenschaftlich, flüstern miteinander, Paare, die vielleicht ein trauriges Geheimnis haben. In der wachsenden Dämmerung ist es schwer, zwischen Bäumen und Menschen zu unterscheiden, zwischen Menschen und Felsen, es scheint, als wären alle von der gleichen Sehnsucht gepackt, auch ich, aber seine Worte verfolgen mich noch, ich drehe mich um und sehe seinen großen Körper auf mich zukommen in dem ausgebleichten gestreiften Hemd und der kurzen Hose mit den tiefen Taschen, in denen immer Sandkörner zurückgeblieben sind, begleitet von den Blicken eines Publikums, das nun, ohne uns, noch enger zusammengerückt ist. Ich habe mich ein bisschen umgeschaut, Ella, sagt er, die Hand nach meiner Schulter ausgestreckt, durch den Größenunterschied wirkt sein Blick herablassend, wie immer, ich habe mir diese Frauen angesehen, sie machen doch einen recht zufriedenen Eindruck, glaubst du etwa, sie sind alle mit Engeln verheiratet? Du wirst dich wundern, das sind sie nicht, aber sie geben sich zufrieden mit dem, was sie haben, und versuchen, die Familie zu bewahren, nur du hältst dich immer für benachteiligt, glaubst, dass dir mehr zusteht, nur du kannst nicht schätzen, was du hast, jede Frau hier wäre froh, einen Mann wie mich zu haben. Ich weiche zurück, der Zaun drückt gegen meinen Rücken, siehst du, sage ich, dasgenau ist dein Problem, du bist so zufrieden mit dir selbst, dass du dich nie ändern wirst, du versuchst noch nicht einmal zu verstehen, warum ich dich nicht mehr will, du fragst nicht, um eine Antwort zu hören, sondern um mir zu beweisen, dass ich mich irre, ich habe die Nase voll von dieser Missachtung, ich habe die Nase voll von dir, ich habe keine Lust, mich mitten im Leben mit dir begraben zu lassen, hast du verstanden?
    Du bist ein Ungeheuer, zischt er leise, erstaunt, als spräche er zu sich selbst, du bist unmenschlich, und ich flüstere, prima, dann freu dich doch, dass du mich los wirst, warum solltest du mit einem Ungeheuer zusammenleben wollen? Und er sagt, um mich mache ich mir keine Sorgen, das kannst du mir glauben, ich werde sehr gut ohne dich zurechtkommen, es geht mir nur um den Jungen, und ich unterbreche ihn, plötzlich machst du dir Sorgen um den Jungen? Sechs Jahre lang hast du ihn vernachlässigt, und jetzt erinnerst du dich daran, dass du dir Sorgen um ihn machen solltest? Er bleckt seine großen, auseinander stehenden Zähne gegen mich, ich soll ihn vernachlässigt haben? Ich bin der beste Vater, den es gibt, und wenn ich nicht den ganzen Tag um ihn herumhüpfe wie du, heißt das, dass ich kein guter Vater bin? Schau doch, wie er an mir hängt, nicht weniger als an dir, und ich sage, klar, du bist der einzige Vater, den er hat, etwas anderes kennt er nicht.
    Das ist es also, was du suchst, kreischt er, einen neuen Vater für meinen Sohn? Du hast einfach den Verstand verloren, ich werde ihn dir wegnehmen, ich werde vor das Rabbinatsgericht gehen und mir das alleinige Sorgerecht geben lassen, und ich lache spöttisch, du machst mir wirklich Angst, ein Egoist wie du will allein ein Kind aufziehen? Und was ist mit deinen Vorlesungen und deinen Aufsätzen, was ist mit deinem Schlaf und deinem Basketball und deinenFreunden? Bis jetzt hast du doch auf nichts verzichtet, wenn du je auf etwas verzichtet hättest, hätten wir uns nie getrennt, ich schieße die vergifteten Pfeile ab, einen nach dem anderen, wie im Fieber, mir scheint, als wäre sein Herz mit groben roten Pinselstrichen auf sein Hemd gemalt, und ich ziele und schieße, bezweifle den Zweck, kann aber nicht aufhören, hat es überhaupt einen Sinn, die Enttäuschungen aufzuzählen, die sich angehäuft haben?
    Die untergehende Sonne taucht den Rabenpark in weiche rote Farbtöne, die Wiesen sind rosa wie die Bettwäsche eines Babys, auf dessen Ankunft alle gewartet haben, Amnons Gesicht, das sich mir nähert, ist rot und wund, als habe man ihm die Haut abgezogen. Er versucht es anders, ich habe nicht vor, dich anzuflehen, ich erlaube mir nur, dich daran zu erinnern, dass man eine Ausgrabung nur einmal durchführen kann, hinterher gibt es keine Chance, das Ganze zu wiederholen. Ich gähne demonstrativ, da hast du ja den richtigen Zeitpunkt erwischt, um mir einen Vortrag zu halten, und er reißt die Augen auf, ich warne dich, ich bin nicht

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