Späte Familie
Gefühl des Triumphs und der Erleichterung, als habe er eigenhändig eine Verbrecherbande besiegt. Amnon, wie bist du denn hereingekommen?, frage ich schnell, versuche, die Freude durch einen strengen Ton zu kaschieren, wir hatten doch abgemacht, dass du deinen Schlüssel hierlässt. Er stellt sich unschuldig, hat die Antwort schon parat, was soll das heiÃen, ich habe dir meinen Schlüssel dagelassen, weil du noch einen zweiten wolltest, aber ich habe ihn vorher nachmachen lassen, und sofort beugt er sich in seiner ganzen Länge zu dem Jungen, seine Augen werfen mir über Gilis schmalen Rücken hinweg einen Blick zu, meinst du etwa, ich soll keinen Schlüssel zur Wohnung meines Sohnes haben? Angenommen, ich gehe abends unten vorbei und höre ihn weinen und kann nicht zu ihm hinaufgehen. Oder angenommen, ich sehe Rauch aus dem Fenster kommen und kann nicht hinein, um das Feuer zu löschen. Gili unterstützt ihn begeistert, stimmt, Mama, dann würden meine Tiere verbrennen, willst du, dass mein Teddy Scotlag verbrennt?
Ich seufze, darüber unterhalten wir uns später, du solltest ihn jetzt zur Schule bringen, sonst kommt er an seinem ersten Tag zu spät, aber Amnon richtet sich schwerfällig auf, zeigt mir ein gekränktes Gesicht, einen Moment noch, was ist los mit dir, du hast deinen Kaffee schon getrunken, nicht wahr, aber ich noch nicht. Er geht zum Wasserkessel, füllt ihn bis zum Rand mit Wasser, als wollte er unzählige Tassen Kaffee für viele Gäste bereiten, die im Wohnzimmer sitzen und warten. Frag nicht, knurrt er, ich habe keine Sekunde geschlafen, der Kühlschrank dort macht einen Krach wie eine Planierraupe, und ich schaue ihn überrascht an, es fällt mir schwer, den Ton seiner Stimme einzuordnen, hat er etwa schon vergessen, dass ich verantwortlich bin für seine Leiden, oder warum sonst lässt er mich jetzt so unschuldig an ihnen teilnehmen, als wären wir gemeinsam von einem Schicksalsschlag getroffen?
Dann schlaf heute hier, wie immer, Papa, unser Kühlschrank macht überhaupt keinen Krach, Gili postiert sich stolz vor dem Kühlschrank, wie ein routinierter Verkäufer,er reiÃt die Tür so weit auf, dass der kühle Atem die Küche füllt. Unser Kühlschrank ist leise, Papa, er legt sein kleines Ohr daran, er wird dich nicht aufwecken, du wirst schon sehen, und ich wecke dich auch nicht, und zögernd verspricht er, ich werde euch nie mehr mitten in der Nacht aufwecken. Ich gehe zum Wasserkessel, kippe ihn aus und lasse nur wenig Wasser darin. Gili, wir haben es dir doch erklärt, wir haben endlos darüber geredet, unsere Trennung hat nichts mit dir zu tun, auch nichts damit, dass du uns manchmal mitten in der Nacht aufweckst, Eltern trennen sich wegen ihrer eigenen Probleme, nicht wegen der Kinder, im Gegenteil, sie werden ihre Kinder immer lieb haben, mehr als alles andere auf der Welt. Wie bequem ist es doch, sich hinter diesem Wort zu verstecken, diesem trügerischen, autoritären, verantwortungsbewussten Wort Eltern, nicht Mama und Papa, nicht Papa und ich, nicht wir, wir beide, Amnon und Ella.
Vor mir schnauft wütend der Wasserkessel, und ich mache ihm schnell einen Kaffee, erfülle die Pflicht einer Gastgeberin, kippe kalte Milch in die Tasse und zische, trink schnell, er muss rechtzeitig dort sein, er kennt kein einziges Kind in seiner Klasse, wie soll er sich denn einfügen, wenn du ihn zu spät hinbringst, und Amnon kichert, ich kann mir nicht vorstellen, dass alle anderen Kinder um halb neun schon miteinander vertraut sind, immer wird er die Probleme anderer herunterspielen und seine eigenen aufbauschen. Wie soll ich heute bloà unterrichten, sagt er seufzend, ich habe nicht eine Sekunde geschlafen, und ich ignoriere seine Worte, richte meinen Blick auf die hellbraune Flüssigkeit, zu hell für seinen Geschmack, erst wenn er ausgetrunken hat, wird er gehen, er wird seine Klagen mitnehmen, so wie er gestern seine Bücher mitgenommen hat, und verschwinden.
Gili, wir gehen, verkünde ich, aber er ist nicht mehr da, wo ist er eigentlich, ich gehe in sein Zimmer und sehe seine FuÃsohlen, die aus der Tiefe des Kleiderschranks lugen, auf dem Teppich liegen Teile seiner alten Verkleidungen, hier bin ich, schreit er, ich bin ein Zauberer, er springt aus dem Schrank hervor, auf dem Kopf den Zauberhut, in der Hand den blauen Zauberstab und über den Schultern den Sternenumhang, sein
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