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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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eckigen Buchstaben auf ein Stück Papier gedruckt und von einem schwarzen Rahmen eingefasst, als würde hier sein Tod angezeigt, und erleichtert stelle ich fest, dass kein Frauenname sich seinem angeschlossen hat, und trotzdem bedrückt mich die Aggressivität der Buchstaben, die seine feste Absicht zu einer eigenen Existenz bezeugen, die nicht schwankend und vorübergehend ist, wie ich gehofft habe, für immer wird er hier bleiben, und ich bücke mich vor seinem Namen, betrachte die Buchstaben genau, murmle wieder und wieder die Worte, die ich für ihn habe, obwohl ich noch immer glaube, dass ich kein einziges Wort benötige, in dem Moment, da er mein Gesicht sieht, wird seines anfangen zu strahlen, und wir werden keine Worte brauchen.
    Leise Musik dringt, zusammen mit einem schmalen Lichtstreifen, durch den Spalt zwischen Wohnungstür und Fußboden, und ich stelle erleichtert fest, dass es eine CD ist, die ich ihm gekauft habe, ich erkenne die gewundenen Klänge einer klassischen Gitarre, ist das nicht eine Einladung, ist das nicht ein Zeichen, dass er mich erwartet? Leise klopfe ich an, um den Jungen nicht zu wecken, es ist schon spät, bestimmt schläft er bereits, aber keine Stimme ist hinter der Tür zu hören, keine Bewegung, vielleicht sind beide eingeschlafen, ich kann sie vor mir sehen, einer neben dem anderen auf dem schmalen Bett, Gili schläft wie immer auf dem Rücken, Amnon wie immer auf dem Bauch, und wieder klopfe ich, vor meinen Augen sehe ich die Hindernisse, die auftreten könnten, bis jetzt habe ich mir nicht die Mühe gemacht, sie in Betracht zu ziehen. Vielleicht schlafen sie beide, und ich schaffe es nicht, sie zu wecken, oder die Anwesenheit Gilis macht alles kaputt, oder noch schlimmer, er hat Besuch, obwohl Gili nie etwas berichtet hat, stelle ich mir eine Frau an seiner Seite vor, und ich mache ein paar kurze nervöse Schritte zurück, dann klopfe ich wieder an und höre endlich, endlich schlurfende Schritte, und er fragt nicht, wer da ist, vielleicht erwartet er einen anderen Gast, denn als Licht aus der Wohnung auf mein Gesicht fällt, weicht er zurück und murmelt, Ella, was suchst du hier, aber seine Stimme klingt nicht erstaunt und begeistert, sondern sachlich, verwundert, kühl, was suchst du in einem Haus, das nicht deines ist und in das dich niemand eingeladen hat.
    Ich nähere mein Gesicht dem seinen, seine Größe überrascht mich, ich recke den Hals zu ihm hinauf, eine unangenehme Bewegung, die ich schon vergessen hatte, dränge mich in die Wohnung, in die er sich vor mir zurückzieht, Amnon, wir müssen miteinander reden, und er presst dieLippen zusammen, bis sie fast in der Weite seines großen Gesichts verschwunden sind, er beißt sich auf die Unterlippe, sein Blick weicht meinem aus.
    Reden, worüber, fragt er, als hätten wir noch nie ein Wort gesprochen und als würde allein die Möglichkeit ihn in Erstaunen versetzen, und ich sage, über uns, über unsere Trennung, über unseren Sohn, und er setzt sich schweigend an den runden Esstisch, der in einer Ecke des Wohnzimmers steht, bietet mir den Platz gegenüber an, wo Gili allem Anschein nach vor kurzem gesessen hat, denn sein Teller steht noch da, mit Resten von Spaghetti und grünem Salat und einem halb abgenagten Maiskolben, darunter lugt das besorgte Gesicht von Pu dem Bären hervor, der unter einem Luftballon zappelt, ich schaue mich schnell um, wie ich es in den Wohnungen der Eltern von Gilis Freunden immer mache, um so viele Details wie möglich aufzunehmen, aber diesmal hat die rasche Inspektion eine besondere Bedeutung und Dringlichkeit, und ich stelle erstaunt fest, wie angenehm die kleine Wohnung ist, durch deren Fenster man das bei Nacht beleuchtete Kloster sieht, wie einen riesigen Meteor, der gerade auf die Erde herabgestürzt ist, ich betrachte die neuen Möbel, die er gekauft hat, den groben Flechtteppich, das sandfarbene Sofa und die zwei Korbsessel.
    Es ist sehr schön hier, Amnon, stelle ich fest, hast du das alles selbst ausgesucht? Und er lächelt bejahend, vorsichtig, fast entschuldigend, ja, ich habe gemerkt, dass es gar nicht so schwierig ist, es hat mich ein paar Tage Konzentration und Arbeit gekostet, das ist alles, es war mir wichtig, Gili ein Gefühl von Zuhause zu geben, damit er Freunde mitbringen kann und sich hier wohl fühlt, und dann steht er auf und geht zu der offenen Küche

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