Späte Heimkehr
Ufer des Tümpels und warf sich, ohne zu zögern, mit einem grandiosen Bauchklatscher an der Stelle ins Wasser, an der der Vogel versunken war. Im Trüben wild um sich greifend, bekam sie ihn endlich zu fassen, zog ihn an die Oberfläche und kämpfte sich vorwärts, bis sie wieder Boden unter den Füßen spürte.
»Hab ich dich, du verrückter Vogel!«
Sie klemmte sich den triefenden Puter fest unter den Arm und wankte aus dem Wasser. Ihre Hosen und die Bluse waren völlig durchnässt und klebten an ihrem Körper. Der Pferdeschwanz hing tropfnass über die Schulter, und als sie sich das Wasser aus den Augen rieb, verteilte sie den Schlamm dabei noch im Gesicht.
Plötzlich hörte sie das Geräusch eines sich nähernden Wagens und blieb stehen. Als das Auto neben ihr anhielt, erkannte sie durch die Scheibe das grinsende Gesicht von Barney Holten.
Er kurbelte das Fenster herunter: »Alle Achtung. Das war ja eine tolle Jagd.«
»Wieso spionieren Sie mir eigentlich jedes Mal nach, wenn ich ins Wasser gehe?«, wollte Abby wissen.
»Ich habe Ihnen doch nicht nachspioniert – ich sah Sie nur über die Koppel rennen …« Barney schwieg plötzlich und wurde rot. »Da unten am Bach habe ich doch nur vermutet, dass Sie schwimmen waren. Ich habe Sie überhaupt nicht im Wasser gesehen.«
»Nur vermutet, was?«, wiederholte Abby spöttisch.
»Aber ja. Sie kamen aus der Richtung des Wasserlochs, und Ihr Haar war nass. Oder haben Sie da etwa auch nach Vögeln getaucht?«
Abby wurde klar, dass sie sich in ihm verschätzt hatte, und sie blickte zu Boden.
»Darf ich fragen, wie der Truthahn überhaupt in den Stausee kam?«, sagte er.
Abby musste lächeln. »Beinahe wäre er uns entkommen. Seine Füße sind zusammengebunden, weil ich ihn gerade erst von den Pembertons geholt habe. Er hält sich übrigens für ein Bantamhuhn«, sagte sie kichernd.
»Oder für eine Ente«, fügte Barney mit einem breiten Lächeln hinzu.
»Hören Sie, Sie sind doch Abigail, oder? Ich bin nämlich gekommen, um Sie etwas zu fragen. Ich habe vorhin mit Ihrem Vater gesprochen. Übrigens bin ich Barney Holten von Amba.«
»Ich weiß. Dad arbeitet als Scherer für Sie.«
»Genau. Tja, es ist so, wir brauchten noch eine Hilfe im Schuppen, und Ihr Vater meinte, dass Sie eventuell an dem Job interessiert seien. Sie wissen schon, den Boden fegen, lose Wolle einsammeln, mit den Wollvliesen helfen, die Schafe in die Pferche treiben und …«
»Ich weiß schon, was gemacht werden muss«, unterbrach Abby ihn. »Ich habe schon öfter beim Scheren geholfen.«
»Dann hätten Sie also Interesse? Ich brauche so bald wie möglich jemanden. Natürlich zahle ich Ihnen so viel wie dem anderen Jungen, der aushilft.«
Es war Abby etwas peinlich, dass er ihr einen Job anbot, während sie verdreckt und durchnässt dastand und einen ebenso nassen Truthahn an sich drückte. Aber sie wusste, wenn sie zusagte, bedeutete das für mindestens zwei Wochen Arbeit und gutes Geld.
»Einverstanden. Ich mache mich frisch und komme dann nachmittags rüber.«
»So eilig ist es auch nicht, der Tag ist ohnehin fast vorbei. Es reicht, wenn Sie morgen Früh anfangen. Und viel Glück mit dem Truthahn, ich hoffe, er bleibt Ihnen bis Weihnachten erhalten!« Lachend fuhr Barney davon.
Abby sah zu, wie sein Wagen in einer Staubwolke verschwand, und machte sich dann auf den Weg zurück zum Hühnerstall, wo Kevin und die Zwillinge die immer noch aufgeregt gackernden Tiere mit Körnern fütterten.
Am folgenden Morgen war Abby in aller Frühe zur Stelle. Sie trug einen praktischen Arbeitsoverall und Stiefel, hatte das Haar zurückgebunden und keinen Lippenstift aufgelegt. Nachdem ihr Vater sie den Männern vorgestellt hatte, begann sie unverzüglich und ohne eine Einweisung zu benötigen, sich nützlich zu machen, zu fegen und die antiseptische rote Tinktur auf die Schnittwunden zu tupfen, die gelegentlich vorkamen, wenn den Scherern die Klinge ausrutschte. Sie arbeitete unauffällig, schnell und sehr ruhig. Mit Schafen kannte sie sich aus, und als sie gebeten wurde, ein weiteres Dutzend Tiere aus dem Hof in den Pferch zu treiben, erledigte sie auch diese Aufgabe, ohne mit der Wimper zu zucken.
Während der Teepause am Vormittag saß sie ruhig neben ihrem Vater und machte sich hungrig über das Gebäck und den Tee her, später half sie dem Wollpacker und erkundigte sich beim Klassierer nach den verschiedenen Wollarten und fragte ihn, wo er bereits überall gearbeitet hatte. Als
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