Späte Heimkehr
Anglesea und Amba und die anderen Orte, an denen sie bereits gelebt hatten, und lachten viel.
Abby lauschte Barneys Schilderungen und dachte darüber nach, wie intelligent und nachdenklich er doch war. Verglichen mit ihm kamen ihr viele der jungen Männer, mit denen sie in der Stadt Bekanntschaft gemacht und sich kurz unterhalten hatte, oberflächlich und seicht vor. Ihr Leben kreiste hauptsächlich um Bier und Sport, sie machten Witze auf Kosten von anderen, und ihr einziger Ehrgeiz bestand darin, ein bisschen Geld zu machen. Es waren ehrliche, nette, bodenständige und unromantische Kerle, von denen Abby insgeheim manchmal dachte, dass sie den Rindern, mit denen sie arbeiteten, nicht ganz unähnlich waren – brauchbar, ja, aber zugleich schwerfällig und langweilig. Barney war da ganz anders. Er brachte sie zum Lachen, und bei ihm fühlte sie sich aufgehoben und glücklich. Er war fürsorglich und nett, aber gleichzeitig spürte sie eine gewisse Traurigkeit in ihm, die sie sich nicht erklären konnte. Oberflächlich betrachtet wirkte er wie ein junger Mann, der alles besaß. Dennoch hatte Abby den Verdacht, dass in seinem Leben etwas fehlte, dass er sich nach etwas sehnte, das er vielleicht selbst nicht einmal benennen konnte. Vielleicht lag es daran, dass er ein Einzelkind war. Als sie noch jünger gewesen war und es bei den McBrides oft so eng und laut zugegangen war, dass es unmöglich schien, ein ruhiges Eckchen für sich allein zu finden, hatte sie sich manchmal gewünscht, keine Geschwister zu haben. Die meiste Zeit war sie jedoch unendlich dankbar für die Liebe, den Zusammenhalt und die Unterstützung, die sie in ihrer Familie erfuhr.
Abby streckte sich im Gras aus und blickte durch das zitternde, zarte Blattwerk der feinblättrigen Jacaranda in den Himmel hinauf. Sie wünschte, sie könnte malen und Form und Muster der Blätter einfangen, die sich im glitzernden Sonnenlicht gegen den blauen Himmel und die vorbeiziehenden Wolken abzeichneten.
Barneys Schatten fiel über sie. Er streckte ihr die Hand entgegen und zog sie wieder auf die Füße. Ihre Lippen trafen sich in einem warmen, weichen Kuss, sie sahen sich tief in die Augen, und Barney küsste ihre Nasenspitze. »Ich bin gern mit dir zusammen«, sagte er leise.
Die Bemerkung war nur scheinbar leicht dahingesagt, die tiefen und beunruhigenden Gefühle, die ihn zu übermannen drohten, konnte er damit jedoch kaum verbergen. Er flüchtete sich vor ihnen in diese für Australier so typische Form der Untertreibung.
Abby spürte es, und da sie ihre eigenen Empfindungen selbst unsicher machten und sie sich fühlte, als stünde sie am Rand eines Abgrunds, erwiderte sie einfach: »Ich auch.«
Sie gingen ein Stückchen zu Fuß, hielten sich an den Händen und beobachteten das Spiel der Sonnenstrahlen auf dem stillen Wasser, wenn ein Flussbarsch dann und wann ein paar Luftblasen an die Oberfläche schickte. Ihr Zusammensein war behaglich, keiner hatte das zwanghafte Bedürfnis zu reden, sie genossen ganz einfach ihre Freundschaft. Es war Abby, als kenne sie Barney schon ein Leben lang, als gäbe es zwischen ihnen eine tiefe Verbundenheit, eine besondere Nähe, die sie sich mit niemand anderem vorstellen konnte.
Schließlich ruderten sie wieder zum Bootshaus, wo der Bootsverleiher ihnen zunickte und sich dann weiter auf die Spitze seiner Angelrute konzentrierte, deren Ende sich leicht nach unten bog.
Barney und Abby fuhren in die Stadt zurück. Sie bummelten durch die Straßen, vorbei an den geschlossenen Geschäften, dem Kino, durch dessen offene Türen die letzten Minuten des Sonntagnachmittagsfilms zu hören waren, und an der Schmiede, die leer und ruhig dalag. Sie ließen die samstägliche Stille der Hauptstraße hinter sich und bogen in Nebenstraßen ein, schlenderten an Reihen ordentlicher kleiner Häuser entlang, vor denen Hortensien blühten, sich Wicken um Zäune rankten und kurze, gepflasterte Gartenwege zu einladenden Haustüren führten. Gelegentlich kamen sie an einem Mann vorbei, der kurz den Hut hob, oder an einer Frau, die nickte und das junge Pärchen mit unverhohlenem Interesse anlächelte.
Barney und Abby warteten Händchen haltend am Park, als die mit den McBrides beladene Betsy heranrollte und vor ihnen anhielt.
»Na, habt ihr einen schönen Nachmittag gehabt?«, rief Bob.
»Ja, haben wir.« Abby lächelte Barney scheu zu, der sie leicht auf die Lippen küsste und ihr dann die Wagentür aufhielt.
»Los, ihr Racker, rutscht rüber.
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