Späte Heimkehr
kommt es eigentlich, dass alle mich für eine Art männermordende Sirene halten, und warum ist es so ein Riesenproblem, dass Barney und ich uns sehen?«, fragte Abby empört. »Ich bin nicht schlechter als er.«
»Reg dich nicht gleich auf, Abby«, sagte Bob besänftigend. »Du hast ganz Recht. Natürlich bist du nicht schlechter als er. Aber du kannst nicht leugnen, dass er einen anderen familiären Hintergrund hat als du.«
»Und außerdem ist da auch noch dein Glaube, Schatz«, gab Gwen ruhig zu bedenken. »Die katholische Kirche sieht es nicht gern, wenn ihre Mitglieder Andersgläubige heiraten, das weißt du doch.«
»Die Kirche sollte verständnisvoll und versöhnlich sein, nicht strafend und kaltherzig«, sagte Abby. »Es wird Zeit, dass sich einiges ändert, schließlich leben wir im Zeitalter der modernen Frau. Es ist gar nicht mehr so ungewöhnlich, zu heiraten, wen man will. Im Krieg war alles anders, aber jetzt haben wir Frauen unseren Teil der Arbeit geleistet und sollen wohl wieder die Schürze anziehen und in die Küche zurückgehen, um zu tun, was unsere Männer und die Kirche uns sagen!«, stieß sie zornig hervor.
»Beruhige dich«, sagte Bob. »Ich bin der Allererste, der zugibt, dass die Frauen ganze Arbeit geleistet haben, als die Männer im Krieg waren. Aber jetzt wollen die Männer wieder arbeiten, und die Frauen wollen sich um ihre Familien kümmern und den Frieden genießen. Und was die Kirche angeht … also, Abby, wenn du ihre Regeln brichst, bist du es, die damit klarkommen muss. Wir machen dir überhaupt keine Vorwürfe, Liebling, wir wollen nur nicht, dass dir wehgetan wird.«
»Dafür ist es ein bisschen spät. Überlasst die Sorge um mein Leben ruhig mir. Wenn sich doch nur jeder um seine eigenen Angelegenheiten kümmern würde«, rief Abby und stürzte aus dem Zimmer.
»Ich hole den Tee«, sagte Gwen. »Lass sie nur machen. Sie ist ja vernünftig.«
»Wenn es um Herzensangelegenheiten geht, bleibt die Vernunft aber manchmal auf der Strecke«, brummte Bob und griff nach der Zeitung.
Barney schob das Gepäck in den Kofferraum des Fords, schlug den Deckel zu und drehte sich mit einem Lächeln zu seinen Eltern um.
»Mach dir keine Sorgen um mich, Schatz. Es wird schon alles gut gehen, da bin ich mir sicher«, beruhigte ihn seine Mutter und umarmte ihn fest.
»Pass gut auf dich auf, Mutter. Wahrscheinlich wird dich der Arzt sowieso für kerngesund erklären«, sagte Barney liebevoll.
»Ich hoffe es, Schatz. Bitte kümmere dich ein bisschen um Diet und Tucker …«
»Nun komm, Enid, lass uns aufbrechen. Die Fahrt nach Sydney ist lang.«
Phillip reichte seinem Sohn die Hand. »Wir steigen im Australia Hotel ab und kommen so bald wie möglich zurück.«
»Lasst euch ruhig Zeit und macht euch um mich keine Sorgen. Du könntest Mama ja auch mal ins Tivoli ausführen oder so.« Barney beugte sich durchs Wagenfenster und gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. »Versuch bitte auch ein bisschen Spaß zu haben. Geh einkaufen oder schau dir im Kino einen Film an. Nutz die Gelegenheit«, sagte er aufmunternd.
Enid warf ihm einen Blick zu, der sagte: »Du kennst doch deinen Vater …«
Barney wusste, dass seine Eltern vermutlich nur im Restaurant ihres gediegenen Hotels essen, wenig miteinander sprechen und früh zu Bett gehen würden. Er fragte sich, ob einer der beiden sich jemals danach sehnte, allein etwas zu unternehmen oder ohne den anderen zu verreisen. Wie hatten sie eigentlich vor ihrer Heirat gelebt? Ihm wurde klar, dass er sie nie danach gefragt hatte. Ob ihr Leben immer so gewesen war, wie er es in den vergangenen Jahren erlebt hatte?
Während er zusah, wie der blankpolierte Ford die gepflegte Einfahrt hinunterfuhr, überlegte er sich, was Mrs. Anderson ihm wohl über die Zeit erzählen konnte, als er noch ein Baby war. Im Augenblick gab es allerdings etwas Wichtigeres, worüber er nachdenken musste – am Samstagabend war er mit Abby verabredet. Er hatte ihr vorgeschlagen, ins Kino zu gehen, und grübelte jetzt darüber nach, was er anschließend mit ihr unternehmen konnte.
Der New England Highway nach Süden war leer. Lediglich aus der entgegengesetzten Richtung brauste gelegentlich ein Wagen an ihnen vorüber. Enid schlug die Beine übereinander, rückte näher zum Fenster hin und starrte in das dichte Grün der Eukalyptus- und Eisenrindenbäume, die die Straße säumten. Phillip war tief in Gedanken versunken. Sie sprachen nie viel beim Autofahren.
Weitere Kostenlose Bücher