Späte Heimkehr
Verwunderung zu verbergen. Da ihr Sohn ihr nie Probleme bereitete und sie eine Haushälterin hatte, musste sie kaum je einen Finger rühren. Jetzt, wo ihr einziges Kind erwachsen war, widmete sie sich mit Leib und Seele ihren Hunden. Sogar Barney hatte gelegentlich den Eindruck, dass ihr an ihnen mehr zu liegen schien als an Menschen.
Als Barneys Mutter sich die Hunde angeschafft hatte, war er noch im Internat gewesen, sodass er nicht mitbekommen hatte, wie es ihr überhaupt gelungen war, seinen Vater dazu zu überreden, der ihre beiden Spielkameraden aus tiefstem Herzen verabscheute. In seinen Augen waren die beiden keine richtigen Hunde, und er duldete sie nicht einmal in der Nähe seiner Hütehunde. Er hatte ihr prophezeit, die beiden würden über kurz oder lang ohnehin von einem Fuchs oder einem Dingo verschleppt. Weil sie sich allerdings nur selten vom Haus oder der Seite ihrer Herrin entfernten, waren sie diesem Schicksal bereits seit etlichen Jahren erfolgreich entronnen. Nachts schliefen sie in einem großen Weidenkorb in der Waschküche. Sobald sie morgens Geräusche aus der Küche hörten, sprangen sie auf und warteten geduldig auf der Fußmatte vor der Tür darauf, dass Mrs. Anderson sie hereinließ. Anschließend trippelten sie den Korridor hinunter zum Schlafzimmer, wo sie ausharrten, bis Phillip Holten die Tür öffnete und auf dem Weg ins Badezimmer über sie stolperte. Sie sprangen zu Enid ins Doppelbett und wurden dort gestreichelt und leise gehätschelt, bis Mrs. Anderson kam und Tee und Toast servierte. Beide wurden mit kleinen Toasthäppchen gefüttert und schließlich vom Schlafzimmer aus in den Garten hinausgelassen.
Enid achtete sorgsam darauf, dass die Hunde ihrem Mann nicht im Weg waren, und dieser weigerte sich, sie zu sehen oder anzusprechen oder ihre Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie ihm nicht gerade ganz besonders auf die Nerven gingen. In der Regel tat er so, als seien sie unsichtbar, obwohl Mrs. Anderson einmal zufällig beobachtet hatte, wie er gerade aus der Bibliothek kam, als die Hunde auf der Suche nach Enid an ihm vorbeiliefen. Er hatte rasch ausgeholt und Diet mit einem Tritt seines Stiefels winselnd den Korridor hinuntergejagt. Mrs. Anderson hatte sich weggedreht, auf den Stapel Bügelwäsche auf ihrem Arm hinabgesehen und so getan, als ob sie den Vorfall und das grimmige, zufriedene Lächeln auf seinem Gesicht nicht bemerkt hätte.
Am Abend kam Barney ins Wohnzimmer, wo seine Eltern vor dem Essen noch einen Sherry zu sich nahmen. Sein Vater saß in dem Ledersessel, der seinem Großvater gehört hatte, während seine Mutter auf dem Sofa Platz genommen hatte. Rechts und links von ihr lagerten Diet und Tucker mit den Schnauzen in ihrem Schoß und beäugten gierig das mit Leberpastete bestrichene Kanapee, an dem sie knabberte. Barney trug dunkelgraue lange Hosen, ein hellblaues Hemd und die Krawatte seines Internats, der Kings School. Das Haar, das durch die Brillantine dunkler wirkte als sonst, hatte er glatt zurückgekämmt. Seine Schuhe waren wie immer auf Hochglanz poliert. Phillip Holten hatte ihm beigebracht, dass ein Mann, gleichgültig, wo er sich befand oder was er gerade tat, einen gewissen Standard zu wahren habe, der sich nicht zuletzt im Glanz seiner polierten Schuhe ausdrückte. Selbst vor einem harten und schmutzigen Arbeitstag auf Amba mussten die Reitstiefel gewichst und gewienert werden. Für Barney war es zu einem Ritual geworden, jeden Morgen vor dem Frühstück die Schuhcreme aus der an der Hintertür aufbewahrten Holzkiste zu holen, sie mit einem Lappen auf die angezogenen Stiefel aufzutragen, dann die Schuhbürste herauszunehmen, den Deckel wieder herunterzuklappen und den Fuß darauf abzustützen, während er das runzlige Leder mit der Bürste bearbeitete und wieder zum Glänzen brachte.
»Ich fahre zu den Frenchams rüber. Heute ist doch das Fest dort. Scheint eine ziemlich große Angelegenheit zu werden.«
»Du wirst einen langen Rückweg haben … außerdem wird es recht spät werden, wie ich annehme. Ich hoffe, du fährst vorsichtig. Und hältst dich deshalb auch mit dem Trinken zurück«, mahnte sein Vater und blickte ihn über den Rand der Zeitung hinweg an.
»Ich dachte, ich übernachte gleich dort. Die meisten anderen bleiben auch. Morgen soll es ein großes Frühstück geben. Ich nehme meinen Schlafsack mit.«
»Das klingt aber nicht sehr gemütlich«, bemerkte seine Mutter, brach ein Kanapee durch und gab jedem
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