Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Ackermann das Plädoyer vor 3000 Zuhörern beim Initiativkreis Ruhr in der Essener Philharmonie. »Es war eine große, vielleicht seine größte Rede«, schwärmt hinterher das Handelsblatt . »Der einstige Erzkapitalist tritt nun als Weltstaatsmann auf, als einer, der die Interessen seines Unternehmens vertritt, indem er über sein Unternehmen hinausdenkt.« Es habe immer Manager gegeben, »vor allem bei der Deutschen Bank«, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlten und die mehr im Sinn hatten als das »Wohl und Wehe ihres Instituts«. Hermann-Josef Abs gehöre dazu und Alfred Herrhausen. Mit dieser Rede und einigen Probeauftritten in den Wochen zuvor habe nun auch Josef Ackermann »bewiesen, dass er mehr kann als Geld verdienen«. Er sei »auch als Staatsmann aus dem Schatten seiner großen Vorgänger herausgetreten«.
Just zu dem Zeitpunkt, da der Schweizer für viele Bürger dem in der Erinnerung verklärten Alfred Herrhausen immer ähnlicher erscheint, wird auch auf ihn ein Sprengstoff-Attentat geplant. Den Übeltätern, italienischen Links-Anarchisten, gehen jedoch gottlob der konsequente Mordwille und die teutonische Präzision der Rote Armee Fraktion ( RAF ) ab. Josef Ackermann bleibt, dank aufmerksamer Mitarbeiter der Poststelle der Bank, unverletzt.
Um die Mittagszeit des 7 . Dezember 2011 röntgen sie routinemäßig einen an den Bankchef »persönlich« adressierten braunen DIN -A 5 -Umschlag, schöpfen Verdacht und alarmieren die Polizei. Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts in Wiesbaden holen die in Mailand aufgegebene Sendung ab. Wie sich rasch herausstellt, enthält sie eine funktionsfähige Briefbombe, die beim Öffnen schwere Verletzungen an Händen, Oberkörper und Gesicht hätte auslösen können.
In einem beigelegten Bekennerbrief ist von »Krieg dem Europa der Bankiers, Tod den Blutsaugern, die uns regieren«, die Rede. Marco Cuccagna, Generaldirektor der italienischen Steuereinzugsgesellschaft Equitalia in Rom, erhält eine ähnliche Sendung. Er ist weniger gut geschützt, verliert beim Öffnen einen Finger und muss an beiden Augen operiert werden.
Das oder Schlimmeres hätte auch Josef Ackermann oder einer seiner beiden Sekretärinnen passieren können, wäre die Sendung bis in sein Vorzimmer gelangt. Der Schweizer leert, ungeduldig wie er ist, durchaus auch schon mal selbst seinen Post-Eingangskorb.
Die Kunde von dem Attentatsversuch geht um die Welt. Das FBI schaltet sich ein, das New York Police Department verstärkt die Streifen vor dem Hauptquartier der Deutschen Bank an der Wall Street. Zeitungen bis hin nach Taiwan berichten von dem versuchten Anschlag auf Europas Topbanker. Aus dem Mann, der zu Beginn nichts anderes sein wollte als ein Banker, ist nolens volens der politischste Bankchef geworden, den die Deutsche Bank in ihrer bald 150 Jahre langen Geschichte gekannt hat.
Kapitel 12
Was bleibt
Der 31 . Mai 2012 ist ein schwül-warmer Tag in Frankfurt. Eine sommerliche Hitze hat sich vorzeitig zwischen den Bankentürmen in Deutschlands Finanzzentrum eingenistet. Die ersten Besucher, die sich am Morgen zur Hauptversammlung der Deutschen Bank am Rande des Messegeländes aufmachen, begegnen Sprühwagen der Stadtverwaltung, die den Asphalt der Straßen mit Wasser kühlen.
Über 7000 Aktionäre, so viel wie nie zuvor, haben sich angemeldet, um das Ende einer Ära mitzuerleben, den letzten Arbeitstag von Josef Ackermann an der Spitze des größten Geldhauses der Nation. Schon zum Frühstück werden über 11 000 belegte Brötchen serviert. Aktionärsvertreter haben Kritik an dem Hickhack um die Nachfolge, zahlreiche Aktionsgruppen Protest angekündigt – gegen den Handel mit Agrarrohstoffen, Geschäfte mit Streubombenherstellern, die Verwahrlosung von geräumten Häusern in Amerika und manches mehr.
Globalisierungsgegner von attac schütten vor dem Eingang zur Festhalle übelriechende Gülle aus. Ein heißer, langer und turbulenter Tag steht bevor.
Seit Wochen hat Josef Ackermann diesem Tag in einer Mischung aus Ungeduld und Unruhe entgegengefiebert. Er will die Querelen um seine Nachfolge, die lange die Schlagzeilen über ihn dominiert hatten, vergessen machen, die Bilanz von zehn Jahren an der Spitze der Deutschen Bank ziehen. Es soll sein Tag werden. Seine Form der Abschiedsfeier.
Festivitäten zu seinem Abgang hatte der Schweizer nicht gewollt. »Das passt nicht in die Zeit«, findet er. Und natürlich auch nicht zu den internen Reibereien der vorausgegangenen Monate.
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