Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Hauses um fast die Hälfte geschrumpft.
Einige Wettbewerber, die einst vor den Deutschen lagen, haben zwar noch mehr verloren. Auch wenn dies angesichts des aktuell niedrigen Aktienkurses »niemanden so recht glücklich machen« könne, »über die gesamte Dekade gesehen konnten wir die Konkurrenz überflügeln und Ihnen eine bessere Rendite liefern«, ruft Ackermann den Aktionären zu. Allerdings sind andere Geldinstitute aus boomenden Schwellenländern und durch die Finanz- und anschließende europäische Staatsschuldenkrise weniger betroffenen Regionen gleichzeitig an den Frankfurtern vorbeigezogen. Und das trotz der 25 Prozent Eigenkapitalrendite!
Josef Ackermann beschreibt den erfolgreichen Aufstieg der Deutschen Bank zu einer führenden Investmentbank, ihre Widerstandskraft in der großen Finanzkrise, den Kauf der Postbank und die stabilere Einnahmestruktur, die sie für die Zukunft noch besser gerüstet mache. Es ist, natürlich, ein Rechenschaftsbericht für die Menschen, die seinem Haus ihr Geld anvertraut haben.
Aber es ist mehr als das. Fast ein Drittel seiner Abschiedsrede an die Aktionäre widmet der Schweizer dem Thema gesellschaftliche Verantwortung. Er präsentiert die Gewinner des von ihm neugeschaffenen Mitarbeiterpreises für soziales Engagement, die er zu der Hauptversammlung eingeladen hatte, und lobt: »Diese drei Deutschbanker leben unser Motto ›Leistung aus Leidenschaft‹ in seiner vollen Dimension beispielhaft vor.« Ackermann spricht seinen Beitrag zur Rettung der Hypo Real Estate und Abwehr einer finanziellen Kernschmelze an, zur Reform des Finanzsystems und Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise, den Rückzug aus Geschäften mit Streubombenherstellern und das Moratorium für Anlagen in Grundnahrungsmitteln.
Und er bekennt, dass sein Haus »in den Jahren des allgemeinen Überschwangs vor der Finanzkrise« dem von ihm seit Jahren stets wiederholten Grundsatz, wonach kein Geschäft es wert sein dürfe, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank aufs Spiel zu setzen, »nicht immer voll gerecht« geworden sei.
Dennoch sei er »stolz auf das gemeinsam Erreichte«. Man habe »eine neue Deutsche Bank gebaut«, eine Bank, die »sowohl im Hinblick auf Gewinn wie Stabilität und soziale Verantwortung zur Weltspitze gehört«.
Als der Schweizer seine Rede beendet, erheben sich die Aktionäre, die auch zwischendurch schon oft applaudiert hatten, zum zweiten Mal von ihren Sitzen und spenden stehend lange Beifall. Viele in der Halle sind bewegt. Auch und gerade der sonst immer so coole »Joe«. Seine Augen werden feucht. Er muss die Tränen unterdrücken.
Mir fällt in dem Moment sein Lieblingsvers aus Goethes Faust ein: »Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.«
Josef Ackermann sieht sich erlöst. Am Ende hat er schließlich doch noch bekommen, worauf es ihm immer auch besonders ankam: die Anerkennung der Deutschen. Sie honorieren nicht nur seine Leistung als Banker, sondern auch seine Einsicht in eigene Fehler und seine ernstgemeinten Bemühungen, sie wiedergutzumachen. Selbst die schärfsten Kritiker drehen bei: Von einem »misslungenen Abschied« hatte die Welt noch am Morgen der Hauptversammlung in einem Vorbericht geschrieben. Tags darauf ist in dem Blatt von »Ovationen für den Vorstandschef« zu lesen.
Schon in den Wochen vor der Hauptversammlung hatte sich nach vielen negativen Berichten im Zusammenhang mit dem Nachfolge-Hickhack und Aufsichtsrats-Zickzack wieder ein positiver Tenor in den Medien durchgesetzt. Dem scheidenden Bankchef wird sein unermüdliches Engagement im Kampf gegen die europäische Staatsschuldenkrise und für Reformen in seiner Branche hoch angerechnet. Ihm wird zugutegehalten, dass er seinen Nachfolgern den Start erleichtern will und in den letzten beiden von ihm zu verantwortenden Quartalen noch über anderthalb Milliarden Euro an Altlasten in Form von Abschreibungen und Rückstellungen für Rechtsrisiken auf seine Kappe und damit entsprechend schlechtere Ergebnisse in Kauf nimmt.
Je näher sein letzter Arbeitstag rückt, desto mehr erscheint auch Josef Ackermanns Gesamtleistung über eine ganze Dekade im Blickfeld. »Die Ära Ackermann wird als eine stolze in die Geschichte der Deutschen Bank eingehen«, so das Handelsblatt . Seine Nachfolger, bilanziert Bild , »treten in große Fußstapfen«. Die Zeit meint, es sei gut möglich, dass der Schweizer den Deutschen »vielleicht gar fehlen wird«. Die Frankfurter Allgemeine am
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