Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
allen ausländischen Geldhäusern im Feuer. Die Franzosen wissen: Hinter Ackermanns Angebot kommen sie nun nicht mehr zurück.
Der Deutsche-Bank-Chef wäre auch bis 50 Prozent gegangen. Sein Institut hatte das ohnedies geringe Griechenland-Engagement bereits voll auf Marktwert abgeschrieben.
Und 50 Prozent sollten es am Ende auch werden. Die Lage in Griechenland verschlechtert sich weiter, das Land braucht immer mehr Geld. Die Euroländer verlangen von den Finanzinstituten einen größeren Beitrag. Mitte Oktober 2011 beginnen neue Verhandlungen zwischen IIF und Eurozone. »Trotz teils heftiger Kritik« an dem Deutsche-Bank-Chef, so berichtet Bild , zähle die Bundesregierung »erneut auf dessen Verhandlungsgeschick«.
Als die europäischen Staats- und Regierungschefs am 26 . Oktober zu dem entscheidenden Gipfel zusammenkommen, hat Ackermann seinen Verband so weit, auf nominal die Hälfte ihrer ausstehenden Forderungen gegenüber dem griechischen Staat zu verzichten. Der Schweizer ist kurz zuvor von Brüssel nach Moskau abgereist, um ein lange geplantes Treffen mit dem russischen Präsidenten Dimitri Medwedew wahrzunehmen und die Wiedereröffnung des Bolschoi-Theaters mitzufeiern. In der entscheidenden Verhandlungsnacht steht er in seiner Suite im Ritz-Carlton-Hotel in der russischen Hauptstadt aber telefonisch ständig in Verbindung mit Charles Dallara, dem IIF -Geschäfts- und Verhandlungsführer in Brüssel. Morgens um drei Uhr Ortszeit Moskau gibt er grünes Licht für den historischen Schuldenschnitt.
Die anschließenden Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung des Abkommens ziehen sich noch Monate hin. Am 21 . Februar 2012 können sich die Finanzminister der Eurostaaten und der IIF schließlich auf eine finale Lösung einigen. Zuvor hatte der Deutsche-Bank-Chef auf der Münchener Sicherheitskonferenz noch einmal vor dem »Sicherheitsrisiko« Griechenland gewarnt. »Wir müssen alles tun, um Europa zusammenzuhalten.« Anschließend war er direkt nach Athen geflogen, um die stockenden Umschuldungsverhandlungen mit der dortigen Regierung voranzutreiben.
Am 7 . Februar, seinem 64 . Geburtstag, sitzt er mit Lucas Papademos, dem damaligen Ministerpräsidenten des Landes, in dessen Amtssitz zusammen, während sich draußen die Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei liefern. »Politiker können schon einem ungeheuren Druck ausgesetzt sein«, sagt er mir nach seiner Rückkehr, »wir machen uns das in der Wirtschaft nicht immer genügend klar.«
Die privaten Investoren tragen am Ende 106 Milliarden Euro freiwillig zum Abbau der griechischen Staatsschulden bei, deren Verhältnis zum BIP dadurch von über 165 auf immerhin gut 132 Prozent sinkt. Dazu kommen weitere 30 Milliarden Euro an gesparten Zinszahlungen. In der Kombination aus nominalem Schuldenschnitt vorab und niedrigen Zinsen für die Anschlussanleihen bedeutet dies einen Forderungsverzicht von insgesamt über 70 Prozent. Dennoch ziehen weit über 80 Prozent der privaten Gläubiger freiwillig mit. Eine enorme Leistung, die die Aussichten für eine Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise wesentlich verbessert und an der Josef Ackermann entscheidenden Anteil hat.
Doch das politische Engagement des Deutsche-Bank-Chefs für Europa beschränkt sich nicht bloß aufs Finanzielle. Landauf, landab, wo immer Josef Ackermann in diesen Monaten auftritt, geht es ihm um »die Schicksalsfrage dieses Kontinents«, plädiert er für eine Stärkung der europäischen Institutionen und vertiefte Integration: beim Jahrestreffen der Bilderberg-Konferenz, einer informellen Versammlung einflussreicher Personen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Militär und Medien, in St.Moritz; vor einem deutsch-französischen Freundeskreis im Europaparlament in Straßburg; auf der Sicherheitskonferenz in München; selbst bei dem traditionsreichen Stiftungsfest der Bremer Eiswette, einem Zusammenschluss von Kaufleuten der Hansestadt, der unter anderem Rettungseinrichtungen für schiffbrüchige Seeleute unterstützt. Josef Ackermann gehöre, so Klaus Schwab, Gründer und Chef des Weltwirtschaftsforums in Davos, der in seinem Leben viele Top-Manager erlebt hat, »zu den wenigen Unternehmensführern, die in globalen Zusammenhängen denken«.
Kurz nach der Einigung auf den Schuldenschnitt ist der Schweizer, wie schon im Jahr zuvor in Seoul, Gast beim G 20 -Wirtschaftsgipfel 2011 in Cannes. Das Treffen an der Côte d’Azur findet parallel zu und verschränkt mit dem Gipfel
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