Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
Vom Netzwerk:
»stets als hilfreich empfunden« zu haben.
    Und so wird die weitere Integration Europas zum Ceterum Censeo von Ackermanns letzten Monaten als Banker. Wie der römische Staatsmann und Feldherr Cato der Ältere jede seiner Reden als Senator mit der Forderung begann, Karthago müsse zerstört werden, gibt es bald keinen öffentlichen Auftritt des Bankers Josef Ackermann mehr ohne die Forderung nach einer vertieften europäischen Einigung.
    In einer Rede über »Markt und Moral und die Verantwortung von globalen Unternehmen« bei der traditionsreichen Versammlung des Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg appelliert der Deutsche-Bank-Chef im November 2011 an sein Publikum, »über die Friedens- und Versöhnungsidee der Vergangenheit und auch über die bloße Wohlstandssicherung hinaus« neue Begeisterung für ein wahrhaft geeintes Europa zu wecken. »Es geht um unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Es geht um unsere Identität und darum, wie wir künftig in dieser Welt zusammenleben wollen. Es geht darum, ob unsere Kinder noch über ihr eigenes Schicksal entscheiden können oder fremdbestimmt leben müssen.« Die Zeit sei gekommen, »öffentlich intensiv darüber zu debattieren, was uns verbindet, was wir als Europa gemeinsam erreichen wollen, welche Institutionen es dazu braucht und welche Kompetenzen wir bereit sind, dafür an die europäische Ebene abzugeben. Wir alle, die wir Führungsverantwortung tragen, werden von unseren Nachkommen eines Tages daran gemessen werden, ob wir unserer Verantwortung gerecht geworden sind.«
    Doch der dramatische und für einen Banker ganz und gar ungewöhnliche Appell verpufft. Der Grund dafür: Nach etwa zehn Minuten wird Ackermann jäh von Zwischenrufen eines Dutzends Occupy-Anhänger unterbrochen. Er sei »einer der skrupellosesten Bankmanager der Welt«, seine »Moralpredigt« sei »zynisch«. Zum Erstaunen des schockierten Publikums in der Industrie- und Handelskammer und zum Schrecken seiner Bodyguards, die sich sofort hinter ihm postieren, bietet der Schweizer den Störern seelenruhig an, nach vorne zu kommen und mit ihm zu diskutieren.
    Als einer von ihnen mit Guy-Fawkes-Maske, dem Erkennungsmerkmal der Bewegung, eine sogenannte Anklageschrift zu verlesen beginnt, fordert er ihn allerdings auf, die Maske abzunehmen: »So viel Mut muss man schon aufbringen, dass man sein Gesicht zeigt. Etwas hinter einer Maske vorzulesen, finde ich feige.« Nach einigem Hin und Her und dem Versprechen, später ihr Anliegen vorbringen zu können, nehmen die Aktivisten wieder im Publikum Platz. In der anschließenden Fragerunde haben sie außer dem Vorwurf, Ackermanns »irrwitzige Renditevorgaben« hätten wesentlich zur Finanzkrise beigetragen, nicht viel vorzubringen. Der Deutschbanker hat leichtes Spiel mit ihnen.
    Nicht nur Ackermanns eindringlicher Appell, mit neuer Kraft für ein vereintes Europa einzutreten, sondern auch sein Bekenntnis zu einer ebenso werte- wie leistungsorientierten Unternehmensführung geht über der spektakulären Protestaktion unter. Die Deutsche Bank, so der Schweizer, verstehe unter Leistung »nicht nur, ehrgeizige wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Leistung misst sich nicht nur in Geld und Gewinn, Leistung bedeutet für uns auch mehr als sich bei all unserem Tun an Recht und Gesetz zu halten: Wir wollen alle unsere ökonomischen Ziele auf ehrbare Weise, also auf ethisch und moralisch vertretbare Art und Weise erreichen.«
    Führungskräfte müssten »mehr sein als Experten ihres Fachs«. Sie brauchten darüber hinaus einen »ethischen Kompass, der sie sauber durch das Geschäftsleben leitet«. Sein Haus werde dies künftig »auch bei der Einstellung, Entwicklung und Beförderung« seiner Mitarbeiter berücksichtigen. »Und natürlich bei der Vergütung.« Diese müsse auf einem Verständnis von Leistung beruhen, »das genauso Wert auf das ›Wie‹ wie auf das ›Wieviel‹ legt«.
    Anfang Dezember, beim Deutschen Wirtschafts-Forum der Zeit in der St. Michaelis Kirche, im Volksmund »Michel« genannt, kehrt Josef Ackermann wieder zum Thema Europa zurück: »Was braucht es noch, um die Menschen auf diesem Kontinent endlich wachzurütteln?«, ruft er den Versammelten zu. Jenseits von Europa gebe es gerade »für Deutschland keine Zukunft«. Ein »leidenschaftliches Plädoyer für ein geeintes Europa«, urteilt Spiegel Online diesmal, »so klar und eindringlich, wie es die deutsche Kanzlerin bisher nicht hinbekommen hat«.
    Kurz vor Weihnachten wiederholt Josef

Weitere Kostenlose Bücher