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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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Geldschöpfung, den Josef Ackermanns Lieblingsdichter Johann Wolfgang von Goethe im zweiten Teil seines »Faust« beschrieben hat. Es ist in Teilen zu einem Geschäft der wundersamen Geldvermehrung geworden, dessen Protagonisten aus Geld Geld machen, indem sie die Risiken von den Krediten abtrennen, zu Wertpapieren umrubeln, x-mal aufteilen, immer wieder neu zusammenpacken und in der ganzen Welt verteilen. Ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden, der auch einen Kulturwandel zur Folge hatte.
    Von Treuhändern sind die Banken weithin zu Händlern geworden. Die Gewinne aus ihren Deals fließen in Form von Boni zu einem großen Teil in die eigenen Taschen. Dies wiederum zieht eine spezielle Sorte Menschen an – Zocker und Bonus-Nomaden, die nur ein Ziel kennen: möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen.
    In »Tod eines Investmentbankers – Sittengeschichte der Finanzbranche« vergleicht der Autor Nils Ole Oermann diese Menschen mit den Konquistadoren des 16 . Jahrhunderts. Beide seien von der Aussicht getrieben gewesen, »Eldorado zu finden« und »unglaublich reich zu werden«. Während viele Investmentbanker dieses Eldorado zu Beginn des 21 . Jahrhunderts tatsächlich entdecken, verlieren viele brave Bank-Aktionäre viel Geld. Man könnte das Ganze auch als eine spezielle Art des Bankraubs betrachten.
    Greg Smith, der im März 2012 in einem Beitrag für die New York Times spektakulär seinen Job als Derivatehändler bei Goldman Sachs kündigt und danach in einem Buch »Die Unersättlichen« mit den Praktiken seiner Zunft abrechnet, sieht nicht nur die Aktionäre als die Dummen: »Früher haben wir unsere Kunden als Partner betrachtet, heute sieht die Bank den Kunden als ein Objekt, aus dem man Wert herauszieht. Wir haben sogar gegen unsere Kunden gewettet.« Und sie intern als »Muppets«, auf Deutsch: Trottel, bezeichnet.
    Die Schlüsselbranche der Wirtschaft hat sich von ihrer dienenden Funktion für die Realwirtschaft und ihren Kunden entfernt, sie ist weithin gesellschaftlich nutzlos, teilweise sogar schädlich geworden. Die »schöpferische Zerstörung«, wie der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter die Kräfte des Wettbewerbs so zutreffend beschrieben hat, ist in der Finanzbranche partiell zu einer zerstörerischen Schöpfung entartet.
    Josef Ackermann hat seinen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. Als er zur Deutschen Bank kommt, knüpft er da an, wo er bei der Schweizerischen Kreditanstalt ( SKA ), heute Credit Suisse, aufgehört hatte. In der ersten Hälfte der 90 er Jahre war er dort für den Aufbau des Derivategeschäfts verantwortlich gewesen. Den Aufstieg der Frankfurter in die Spitzengruppe der globalen Investmentbanken gründet der Schweizer Bankchef auf Verbriefung, strukturierte Produkte, Derivate sowie einen großen Schuldenhebel – und erzielt damit strahlende Erfolge. Die Bilanzsumme seines Hauses, die Summe aus Sachwerten, Finanzanlagen und Krediten, vervierfacht sich zwischen 1997 und 2007 von rund einer Billion Mark auf etwa zwei Billionen Euro. Damit ist sie rund siebenmal größer als der Bundeshaushalt und fast so groß wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt.
    Unter Ackermanns Führung verlagert sich das wirtschaftliche Gravitätszentrum der Deutschen Bank von der Zentrale an der Frankfurter Taunusanlage in die Handelssäle ihrer Niederlassungen an der Londoner Great Winchester und New Yorker Wall Street. Bereits drei Jahre nachdem er sein Amt an der Spitze des Instituts angetreten hatte, steuern die dort angesiedelten Investmentbanker 70 Prozent der Erträge bei. Der Löwenanteil davon stammt aus dem Wertpapierhandel. Das zuvor international als behäbig und altmodisch betrachtete größte deutsche Geldhaus wächst zu einer führenden Investmentbank angelsächsischer Prägung heran.
    Genau dafür hatte der frühere Vorstandssprecher Hilmar Kopper den Schweizer, den er aus dem Aufsichtsrat von Bayer und von diversen Bankertreffen kannte und schätzte, geholt. »Binnen Tagen«, so Ackermann, nachdem er bei der SKA im Juli 1996 ausgeschieden war, habe Kopper ihm ein Angebot gemacht: »Wenn du dich langweilst, komm nach Frankfurt.« Als er mit seiner Frau zu einem ersten Gespräch aus Zürich einfliegt, holt der Deutsche-Bank-Chef die beiden am Flughafen ab und fasst auch beim Tragen des Gepäcks mit an.
    Das Angebot erscheint Ackermann wie gerufen. Mit dem nahezu nahtlosen Wechsel kann er die erste Bruchstelle in seiner bis dahin so glatt verlaufenen Karriere rasch

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