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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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vergessen machen. Von Anfang an darf er damit rechnen, in einigen Jahren die Nummer eins in Frankfurt zu werden. Die Deutsche Bank ist eine erstklassige Adresse, operiert wirtschaftlich aber weit unter ihren Möglichkeiten. Das will er ändern. Er will im »großen Kanton«, wie die Schweizer ihr Nachbarland im Norden auch nennen, erfolgreich sein und seinem früheren Arbeitgeber in Zürich zeigen, welch schweren Fehler sie gemacht hatten, seinen Vorstellungen nicht zu folgen.
    Josef Ackermann selbst erklärt seinen Umzug von der Limmat an den Main so: »Ich bin gerne bei großen Dingen dabei. Die europäische Dimension hat mich schon immer gereizt. Mir geht es anders als Julius Cäsar, der lieber in Gallien der Erste sein wollte als in Rom der Zweite.« Nicht ohne ehrlicherweise dann doch noch hinzuzufügen: »Aber am liebsten bin ich natürlich der Erste in Rom.«
    Am 1 . November 1996 tritt der Schweizer seinen Dienst in den Doppeltürmen im Frankfurter Bankenviertel an und bezieht gleich Koppers Büro in der 32 . Etage des A-Turms – ein Akt mit hoher Symbolkraft und Zeichen dafür, was beide vorhaben. Sein Mentor siedelt in das frühere Büro des legendären ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Hermann-Josef Abs um.
    Im Führungsgremium des Geldhauses ist Ackermann zunächst für das Management der Kreditrisiken zuständig, danach bis zur Übernahme der Chefposition im Jahr 2002 an zentraler Stelle für das Investmentbanking. Dem neutralen Schweizer gelingt es, die Brücke zwischen den traditionellen deutschen Deutschbankern und den inzwischen hinzugekommenen angelsächsischen Investmentbankern zu schlagen – die Grundvoraussetzung für alle späteren Erfolge.
    Seine erste große Aufgabe bei der Deutschen Bank ist die Integration von Bankers Trust. Das achtgrößte US -Geldinstitut war Ende November 1998 vom damaligen Vorstandsvorsitzenden Breuer für fast 10 Milliarden US -Dollar erworben worden. Bereits ein Jahrzehnt zuvor hatten Alfred Herrhausen und Hilmar Kopper mit der Übernahme des britischen Bankhauses Morgan Grenfell für 950 Millionen Pfund ( 2 , 7 Milliarden Dollar) den Grundstein für den Einstieg ins globale Investmentbanking gelegt. Mit dem Kauf von Bankers Trust wurde diese Strategie unumkehrbar. Das selbst an der Wall Street als aggressiv und risikofreudig bekannte Investmenthaus sollte zudem einen prägenden Einfluss auf die Kultur der Deutschen Bank ausüben. Im Guten wie im Bösen.
    Zwei Tage vor Weihnachten des Jahres 2000 stürzt Edson Mitchell, Vorstandsmitglied und Leiter des aufblühenden Handelsgeschäfts der Bank in London, mit seiner zweimotorigen Beechcraft King Air auf dem Flug in den Skiurlaub zu Hause im US -Bundesstaat Maine tödlich ab. Josef Ackermann muss schnell handeln. Weil er in Derivaten großes Potential sieht, macht er Anshu Jain, Spezialist in diesem Geschäft, zum neuen Chef des Handelsbereichs. Jain war mit Mitchell einst von Merrill Lynch, wo er sich um Hedgefonds gekümmert hatte, zur Deutschen Bank gekommen.
    Mit Ackermanns Segen treibt der gebürtige Inder in den Jahren darauf das Derivate-Geschäft massiv voran. Ihm zur Seite steht dabei Rajeev Misra, für manche damals »das Gehirn« der Bank in London. Was die beiden gerne als Produkte mit »intellektuellem Kapital« bezeichnen, ist für den US -Ökonomen Robert Shiller, der in seinem Buch »Irrational Exuberance« die Finanzkrise vorhergesagt hat, teilweise das »finanzielle Äquivalent von Schlangenöl«. Der amerikanische Star-Investor Warren Buffett von Berkshire Hathaway hatte Derivate schon in einem Aktionärsbrief vom März 2003 als »finanzielle Massenvernichtungswaffen« bezeichnet.
    Als die Fachzeitschrift Euromoney im Juli 2010 der Deutschen Bank die Auszeichnung »Investmentbank des Jahres« verleiht, macht sie ihr ein zweischneidiges Kompliment: Anshu Jain habe das Geldhaus »zur klaren Nummer eins in den komplexesten Handelsgeschäften gemacht«. Diese Innovationen hätten die Bank »in die vorderste Linie einer Finanzindustrie gebracht, die ständig die Grenzen des Möglichen, ja sogar des Erlaubten getestet habe«.
    Wenige Wochen nach den Terroranschlägen vom 11 . September 2001 unterstreichen die Frankfurter mit der Zweitnotierung ihrer Aktie an der New Yorker Börse und dem Einzug in den ehemaligen Büroturm von JP Morgan in der Wall Street Nummer 60 ihre Ambitionen als globale Investmentbank. Und sie kommen gerade rechtzeitig zum größten Immobilien- und Finanzboom, den die USA je erlebt

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