Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
von seinen Kollegen »nicht dafür verantwortlich gemacht werden«, dass er »ihr Geschäft zerstöre«. Diese Kollegen um Michael Lamont legen zu der Zeit weiter fleißig CDO s auf, obwohl auch ihnen selbst offenbar schon bange ist. Am 8 . Februar schreibt Lamont etwa in einer E-Mail: »Wir müssen das Ding jetzt verkaufen, solange es noch geht.«
Das »Ding« ist ein CDO namens Gemstone VII (»Edelstein sieben«) mit einem Nominalwert von über einer Milliarde Dollar. Davon kann die Bank, wie dem Senatsbericht zu entnehmen ist, nur noch knapp zwei Drittel losschlagen. Den Rest muss sie zusammen mit einem Hedgefonds in die eigenen Bücher nehmen. Dennoch legt das Institut danach noch neun weitere CDO s auf. Am 19 . März investiert die IKB 87 Millionen Dollar in Gemstone VII . Gut ein Jahr später ist die Investition nichts mehr wert.
Die öffentliche Diskussion über die Rolle der Deutschen Bank beim Niedergang der IKB hatte Heinrich Haasis, damals Präsident des Sparkassen- und Giroverbands, schon im September 2007 vom Zaun gebrochen. Kurz nach der Beinahe-Pleite des Düsseldorfer Geldhauses wirft er der Deutschen Bank auf der Handelsblatt -Bankentagung vor, zuerst reichlich »Brennholz gesammelt«, daran »ordentlich verdient« und sich dann als »Brandschutzberater« aufgespielt zu haben.
Die Kritik von Haasis, mit dem er sich persönlich gut versteht, weist Ackermann als »total daneben« zurück. Ein Brennholz-Verkäufer sei kein Brandstifter. Und wenn er nicht am Freitag »auf die Problematik bei der IKB hingewiesen hätte«, so sagt er, wäre Deutschlands Finanzsystem am Montag »massiv erschüttert« worden.
Die drei Buchstaben IKB markieren den Anfang einer Serie von Erdbeben auf den Finanzmärkten, die ein Jahr später mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers in den USA und dem Beinahe-Zusammenbruch der Hypo Real Estate ( HRE ) in Deutschland ihren Höhepunkt erreichen sollten. Die seit Monaten schwelende Unruhe wegen der Immobilienkrise in den USA weicht zunehmend einer weltumspannenden Angst. Die Musik auf den Finanzmärkten spielt zwar noch eine ganze Weile weiter, aber sie klingt immer dissonanter, die Tänzer lassen schon mal den einen oder anderen Tanz aus, die Tanzfläche leert sich allmählich.
Kapitel 3
Zerstörerische Schöpfung
Einer der Ersten, der sich zurückzieht, ist Josef Ackermann. Er beginnt, den bis dahin gültigen Glaubenssatz in Frage zu stellen, dass durch Verbriefung und Atomisierung der Kredite das Finanzsystem stabiler geworden sei. Das Problem besteht dabei nicht in der Verbriefung als solcher und auch nicht in der Verteilung der Papiere um die ganze Welt. Auch hier gilt: Viele Schultern können mehr tragen als wenige. Das Problem liegt in der Unkenntnis darüber, wer sich wie viel aufgeladen hat, also in mangelnder Transparenz.
Der Fast-Kollaps der IKB und die Entwicklung der Finanzmärkte in den darauffolgenden Monaten wecken in dem Schweizer, der die Deutsche Bank in den Jahren zuvor mit aller Kraft in die Spitzengruppe der globalen Investmentbanken geboxt hatte, darüber hinaus zunehmend Zweifel, ob seine Branche nicht teilweise auf die schiefe Bahn geraten ist. Die Kernaufgaben der Banken – ein effizienter Zahlungsverkehr und die Transformation der Ersparnisse in möglichst produktive Investitionen – sind immer mehr in den Hintergrund gerückt. Die Banken beschäftigen sich weithin nur noch mit sich selbst. »Das System ist teilweise selbstreferenziell geworden«, bekennt Josef Ackermann später auch öffentlich. Am deutlichsten zeigt dies das explosive Wachstum von Derivaten.
Binnen nur anderthalb Jahrzehnten hat der Umfang des globalen Derivatemarkts am Nominalwert gemessen quasi von null auf 350 Billionen, also 350 000 Milliarden US -Dollar zugenommen. 2006 beträgt das weltweite Volumen der Finanzanlagen das Vierfache der realen Wirtschaftsleistung. In den USA entfallen 40 Prozent aller Unternehmensgewinne auf die Finanzbranche, die nur fünf Prozent der Beschäftigten im Privatsektor stellt. Zum Schluss, so der Berliner Kulturwissenschaftler Joseph Vogl in seinem vielbeachteten Essay »Das Gespenst des Kapitals« über die Hyper-Inflation der Derivate, sei es den Banken »nicht mehr um den ›realen‹, ›wahren‹ oder ›fundamentalen Wert‹ der Dinge gegangen, sondern darum, wie sich Wertschätzungen aus Meinungen formieren, die die Meinung über Meinungen spiegeln.«
Das Investmentbanking erinnert immer stärker an den alchemistischen Prozess der
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