Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
erreicht. Ackermann dagegen wird bald zum »Mister 25 Prozent«.
Als Erstes etabliert er eine neue Führungsstruktur. Der Vorstand wird verkleinert und auf den Vorsitz sowie die Querschnittsfunktionen Finanzen, dazu Recht, Compliance und Riskomanagement sowie Personal und IT beschränkt. Die Bank wird fortan faktisch von einem sogenannten Group Executive Committee ( GEC ) geführt, in dem neben den Mitgliedern des Vorstands auch die Chefs aller operativen Bereiche vertreten sind.
Hinzu kommt eine neue Leistungskultur. Dazu gehört unter anderem auch ein Ausschuss, der besonders bei deutschen Mittelständlern vernehmliches Murren auslöst. Er soll dafür sorgen, dass künftig jeder Kredit der Bank einen international üblichen Standards entsprechenden Preis bekommt und jede Kundenbeziehung insgesamt eine Vorsteuerrendite auf das Eigenkapital von 25 Prozent abwirft. Ergebnis: ein deutlicher Rückgang des traditionellen Unternehmenskreditgeschäfts hierzulande, in dem die Frankfurter vorher nur wenig verdient hatten.
In den ersten beiden Jahren an der Spitze der Bank senkt Ackermann zudem die Kosten um über fünf Milliarden Euro, 14 000 Stellen weltweit fallen weg. Um in vergleichsweise renditeschwachen Industriebeteiligungen gebundenes Kapital freizusetzen, stößt er diese – beflügelt von einer Gesetzesänderung der damaligen rot-grünen Regierung, die Veräußerungsgewinne steuerfrei stellt – nach und nach ab. So leitet er auch das Ende der Deutschland AG ein, jenes aus heutiger Sicht ebenso gemütlichen wie im Zeitalter der Globalisierung überkommenen Miteinanders der einheimischen Großunternehmen. Die Erlöse aus den Beteiligungsverkäufen, brutto insgesamt fast 15 Milliarden Euro, fließen vornehmlich in Aktienrückkäufe, um Eigenkapitalrendite und Marktkapitalisierung zu steigern sowie das renditeträchtige Investmentbanking auszubauen.
Dem Spätankömmling Deutsche Bank bietet sich in diesem Geschäftsbereich vor allem der Wertpapierhandel an. Dieser fußt weniger auf langjährigen Kundenverbindungen als das klassische Beratungsgeschäft bei Übernahmen, Fusionen und Börsengängen und verspricht deshalb schnellere Erfolge – vor allem beim Handel mit Zinspapieren, da dieser Markt weniger reguliert ist als der Aktienmarkt.
Die Strategie trägt bald Früchte – nicht zuletzt dank des Immobilienbooms in den USA und der lukrativen Geschäfte mit verbrieften Hypothekenkrediten. Das Fachmagazin International Financial Review zeichnet die Deutsche Bank 2003 und dann erneut 2005 als »Bank of the Year« aus. 2011 kann Josef Ackermann den begehrten Preis, der so etwas wie eine olympische Goldmedaille für Investmentbanken ist, aus der Hand von Princess Anne sogar zum dritten Mal in seiner Amtszeit entgegennehmen. Von den gut 20 Geldhäusern, die Ende der 90 er Jahre in die Phalanx der besten Investmentbanken der Welt vorstoßen wollten, hat die Deutsche Bank als einzige das Ziel erreicht.
Zwei Jahre nach dem Amtsantritt des Schweizers ist die Eigenkapitalrendite seines Instituts vor Steuern von gut vier Prozent bereits auf 16 Prozent gestiegen, ein Jahr später erreicht sie 24 , 2006 dann 33 Prozent. Damit war die Bank nicht nur auf dem Niveau ihrer internationalen Hauptkonkurrenten angelangt, sie lag im Schnitt sogar darüber. Für 2007 , das im zweiten Halbjahr bereits von den Anfängen der großen Krise geprägt war, kann Ackermann ebenfalls noch stolze 29 Prozent verkünden. Alles in allem ein enormer betriebswirtschaftlicher Erfolg, der ihm international höchste Anerkennung einbringt.
Nicht so in Deutschland. »Mr. 25 Prozent« ist hier kein Ehrentitel. Ganz im Gegenteil. Die Zahl steht für Gier und unverantwortliche Risiken, kurz: für das Verhalten, das in den Augen der Mehrheit in die große Krise geführt hat.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken prägen das Bild der Deutschen vom Geldgeschäft. Sie machen zwei Drittel des einheimischen Finanzsektors aus. Da sie nicht im internationalen Wettbewerb stehen, brauchen sie auch keine entsprechende Kapitalrendite. Damit unterscheidet sich der deutsche Geldsektor fundamental von anderen großen Branchen wie etwa der Autoindustrie oder dem Maschinenbau. Was hier allgemein fast selbstverständliche Anerkennung findet, gilt dort schnell als gierig. Zumal wenn sich die 25 -Prozent-Marke im kollektiven Gedächtnis mit Arbeitsplatzabbau verbindet.
Letzteres hat sich Josef Ackermann zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben. Im Februar 2005 – die
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