Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Abschreibungen, die die UBS für das Quartal verkündet, noch sehr achtbar erscheint. Marcel Ospel, langjähriger Chef der UBS und einst als »erfolgreichster Banker Europas« gefeiert, muss als nächster prominenter Bankchef seinen Sessel räumen. Auch Josef Ackermanns Ruf, der soeben noch gestrahlt hatte wie nie zuvor, beginnt wieder zu verblassen. Das erschwert ihm die Führungsaufgabe in seiner Branche. Doch der Schweizer verfolgt seinen Reformkurs nur umso entschlossener weiter.
Am 9 . April 2008 – kurz vor der Tagung der Finanzminister und Notenbankchefs der G 7 -Staaten am darauffolgenden Wochenende in Washington – verkündet er mit führenden Kollegen des Weltbankenverbands im Hotel Frankfurter Hof in der Mainmetropole den Willen seiner Branche zur Selbstreinigung: »Die Führung unserer Branche erkennt an«, so der IIF -Präsident, »dass sie selbst dafür verantwortlich ist, das Vertrauen an den Finanzmärkten wiederherzustellen. Wir werden das Möglichste tun, bei uns selbst aufzuräumen.« Am darauffolgenden Tag titelt die Financial Times : »Banken akzeptieren Schuld für Krise«. Besonders wohlwollend wird vermerkt, dass sich die Branche erstmals auch selbstkritisch über die eigene Vergütungspraxis äußert.
Die Vorwürfe an die Adresse der Investmentbanker, diese hätten es nur darauf angelegt, sich selbst zu bereichern, statt Kunden, Aktionären und der Gemeinschaft insgesamt zu dienen, waren zuletzt immer lauter geworden. In Frankfurt fordert Josef Ackermann, die Vergütung künftig stärker an den langfristigen, nicht mehr den kurzfristigen Erträgen auszurichten und dafür als Maßstab nicht nur die erzielten Erträge heranzuziehen, sondern auch die Kapitalkosten und eingegangenen Risiken.
Schon lange vor der Finanzkrise hatte der Schweizer einmal versucht, die überbordenden Boni einzudämmen, dabei allerdings alles andere als ermutigende Erfahrungen gemacht. 1998 will er den Vertrag des Star-Investmentbankers Frank Quattrone ändern. Den »Paten des Internetbooms« hatte die Bank zwei Jahre zuvor teuer eingekauft. Doch der Amerikaner ist nicht bereit, finanzielle Einbußen hinzunehmen, und läuft mit seinem über 100 Mann starken Team zum Konkurrenten Credit Suisse First Boston über. Die Deutsche Bank muss sich daraufhin hämische Kommentare gefallen lassen. Sie sei eben doch nicht in der Lage, mit den Big Boys zu spielen.
Jetzt, zehn Jahre später, ist Ackermanns Appell zur Mäßigung, den er im Mai auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank mit dem Versprechen ergänzt, sein Haus wolle selbst mit gutem Beispiel vorangehen, ein letzter Versuch, das drohende Eingreifen des Staates doch noch zu verhindern. Immer wieder mahnt der Schweizer seine Kollegen, sich selbst zu beschränken, wenn sie nicht wollten, dass Regierungen sich in die Vergütungspraxis einmischen und dabei übers Ziel hinausschießen. Die Entwicklung sollte zeigen, wie berechtigt diese Warnung war.
Das Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der G 7 -Staaten am 11 . April 2008 in Washington markiert den Ausgangspunkt der staatlichen Regulierungswellen, die seitdem die Finanzbranche überrollen. Bei einem sogenannten »Outreach Dinner« im prachtvollen Cash Room des Finanzministeriums gleich neben dem Weißen Haus fordern sie die Chefs der weltgrößten Banken, darunter auch Josef Ackermann, auf, binnen 100 Tagen ihr Kapital-, Liquiditäts- und Risikomanagement zu verstärken. Noch im laufenden Jahr würden dazu Vorschläge für schärfere Eigenkapitalvorschriften unterbreitet.
Je mehr sich die Krise zuspitzt und die Wut der Bürger auf die Banken wächst, desto mehr schwillt der Umfang der Regulierungsmaßnahmen an. Hierzulande verleiht vor allem Bundespräsident Horst Köhler der Bewegung Schwung. In einem Interview mit dem Stern kritisiert der vormalige Finanzstaatssekretär, Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und Weltwährungsfonds IWF Mitte Mai, die internationalen Finanzmärkte hätten sich zu einem »Monster« entwickelt, das »in die Schranken gewiesen werden muss«.
Josef Ackermann beklagt in jenen Tagen, dass nun genau das einzutreten drohe, worauf er seit einem halben Jahr immer wieder hingewiesen habe. Leider hätten viele seiner Kollegen diese Warnungen zu lange in den Wind geschlagen. Der Schweizer weiß, dass er in der politischen Arena künftig noch stärker gefordert sein wird.
Und so zeigt er auch in diesem Sommer Präsenz in der Hauptstadt – beim traditionellen »Biwak« der
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