Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
seinem Erstaunen heraus, dass die Finanzbranche immer noch nicht bereit ist, die nötigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Sein Vorschlag, Bonuszahlungen über mehrere Jahre zu strecken und in dem geplanten Best-Practice-Kodex zu verankern, stößt auf Widerstand vor allem von Investmentbankern. Er habe »sogar Anrufe von Anwälten aus den USA bekommen«, berichtet der Verbandspräsident, »die mir weismachen wollten, eine solche Vereinbarung verstoße gegen die Anti-Trust-Gesetze«.
Schon bei Vorlage der Bilanz für 2007 hatte Ackermann kritisiert, dass einige Banken trotz schwerer Verluste höhere Boni gezahlt hätten als im Jahr zuvor. »Das hat mir nicht gefallen.« In Rio erklärt er nun: »Wir müssen prüfen, wie wir die Entlohnung am besten an den Interessen der Anteilseigner und an langfristiger Leistung ausrichten können.« Bis zum Sommer wolle er einen umfassenden Verhaltenskatalog für die Branche vorstellen.
Es ist ein seltsamer Kontrast: Während millionenschwere Investmentbanker im Fünfsterne-Hotel missmutig um ihre Boni bangen, gehen draußen, nur einen Steinwurf entfernt, einfache Bürger unbeschwert ihren Strandfreuden nach. Von einer Finanzkrise haben die meisten von ihnen noch nichts gehört. Auch weil es diesmal eine Krise der sogenannten entwickelten Welt und nicht der Entwicklungs- oder Schwellenländer ist.
Kaum haben die Top-Banker den sanften Wellen der Copacabana den Rücken gekehrt, sehen sie sich mit schweren Brechern auf den Finanzmärkten konfrontiert. Aus der Liquiditäts- wird zunehmend eine Solvenzkrise. Für immer mehr Akteure stellt sich die Frage, ob ihre Verpflichtungen noch durch entsprechende Vermögenswerte gedeckt sind. Selbst die besten Teile der amerikanischen Hypothekenanleihen werden inzwischen nur noch mit zwei Drittel ihres Ursprungswertes gehandelt. BBB -Tranchen sind nur noch zehn Prozent von einst wert.
Bear Stearns, die fünftgrößte Bank an der Wall Street sowie stark im Markt für hypothekenbesicherte Anleihen engagiert und deswegen schon seit Monaten im Gerede, gerät akut unter Druck. Der Aktienkurs stürzt steil ab, die sogenannten CDS -Spreads für die Bank, die Kosten für die Absicherung gegenüber einem Zahlungsausfall, schießen nahezu senkrecht in die Höhe. Kunden und Geschäftspartner ziehen sich zurück, der neue Bear-Chef Alan Schwartz beschwört das Publikum im Fernsehsender CNBC , an einer existentiellen Krise der Bank sei »nichts dran«. Wie sich die Bilder gleichen!
Im Hintergrund ist derweil bereits eine große Rettungsaktion angelaufen. Am Freitag, dem 14 . März, öffnet die Fed der wankenden Investmentbank ihr sogenanntes Diskont-Fenster, eine Einrichtung, über sich nach dem Gesetz eigentlich nur Geldinstitute mit Einlagengeschäft im Notfall liquide Mittel besorgen können. JP Morgan hat sich jedoch bereit erklärt, als Zwischenglied für die von der US -Notenbank garantierten 30 Milliarden Dollar zu agieren. Gleichzeitig nimmt das drittgrößte Geldhaus der USA mit Bear Übernahmeverhandlungen auf.
Die Märkte kann das jedoch nicht beruhigen. Am Samstag, den 15 . März, ruft Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein seinen Vorgänger Henry Paulson, inzwischen Finanzminister, zu Hause in Washington an. »Das erste und einzige Mal«, wie Paulson in seinem Erlebnisbericht über die Finanzkrise (»On The Brink«) schreibt. In der Stimme des Top-Bankers habe er »die Angst hören können«. Der Markt erwarte am Wochenende die Rettung für Bear, so Blankfein. Bleibe sie aus, werde »das komplette Chaos ausbrechen«. Kein Wunder: Bear ist eine ganz andere Kategorie als IKB oder Northern Rock. Der gesamte Derivate-Markt steht auf dem Spiel.
Nach Blankfeins Anruf kommt die Rettungsaktion auf Hochtouren. Übers Wochenende verleibt sich JP Morgan die Bank, die am Freitag an der Börse immerhin noch über vier Milliarden wert war, für ganze 236 Millionen Dollar ein. Ein Schnäppchen.
Obwohl Jamie Dimon von JP Morgan von Anfang an sein Wunschpartner war, hatte Paulson auch bei Josef Ackermann vorgefühlt. Der US -Finanzminister und frühere Goldman-Chef hält den Schweizer für einen der »direktesten Menschen«, der ihm je begegnet ist, einen »unermüdlichen Konkurrenten«, der sich nicht scheue, »Schwächen von Wettbewerbern auszunutzen«. Er erreicht den Deutsche-Bank-Chef an jenem Samstag im März 2008 beim Einkaufsbummel auf der Madison Avenue in New York.
Mit »atemberaubender Unverblümtheit«, so Paulson in seinem Buch, habe Ackermann
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