Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
es, was es wolle. Die Börsenindizes zeigen erstmals wieder einmal nach oben, Großinvestor Warren Buffett steigt mit fünf Milliarden Dollar bei Goldman Sachs ein.
Doch die Entspannung hält nicht lange an. Schon eine Woche später folgt mit der Pleite der Sparkasse Washington Mutual der größte Bankenkollaps der amerikanischen Geschichte. Das Institut wird von der Regierung geschlossen, JP Morgan übernimmt Teile aus der Konkursmasse. Und fernab der Wall Street in der Unsöldstraße im Münchner Lehel-Viertel nahe dem Englischen Garten, Sitz der Hypo Real Estate Bank ( HRE ), tut sich in Deutschland ein neuer Abgrund auf.
Die HRE , seit 2005 im Dax vertreten, ist als Spezialinstitut zur Immobilienfinanzierung aus der Hypovereinsbank ( HVB ) hervorgegangen, eine Art Bad Bank für problematische Hypotheken. Im Sommer 2007 kurz vor dem Platzen der Immobilienblase, verleibt sie sich für die stolze Summe von 5 , 7 Milliarden Euro den aus Steuergründen im irischen Dublin angesiedelten Infrastrukturfinanzierer Deutsche Pfandbriefanstalt (Depfa) ein. Damit steigt sie zur viertgrößten privaten und sechstgrößten Bank des Landes auf.
Für Depfa-Chef Gerhard Bruckermann, ohnehin schon der am besten verdienende deutsche Banker und im Besitz eines stattlichen Aktienpakets seines Hauses, ist es das Geschäft seines Lebens. Mit mehr als 100 Millionen Euro Erlös aus dem Verkauf der Depfa-Aktien zieht er sich bald auf seine Orangenplantage in Andalusien zurück. Für die Münchner sollte der Deal dagegen zum Verhängnis werden.
HRE -Chef Georg Funke will das heraufziehende Unheil lange nicht wahrhaben. Noch im November 2007 behauptet er, die Immobilienkrise in den USA sei für sein Haus keine Gefahr. Zwei Monate später muss er aus heiterem Himmel Abschreibungen auf US -Subprime-Papiere in Höhe von 390 Millionen Euro melden. Die Investoren denken sofort an die IKB , zumal auch die HRE sehr stark auf kurzfristige Refinanzierung von langfristigen Investitionen setzt. Die Aktie verliert an einem einzigen Tag ein Drittel ihres Wertes, die BaFin ordnet eine Sonderprüfung an.
Der Prüfbericht stellt der Bank ein schlechtes Urteil aus. Er kritisiert Mängel in der Geschäftsorganisation, in der Fähigkeit, (Liquiditäts-)Risiken rechtzeitig zu erkennen bzw. diese zu tragen. Funke zeigt sich davon unbeeindruckt. Er geht davon aus, dass das Schlimmste bereits vorbei ist: Sein Haus habe sich in der Krise »super geschlagen« und sei aus ihr »gestärkt hervorgegangen«.
Die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS sieht offenbar günstige Einstiegskurse und stockt ihre Beteiligung an der Münchner Bank auf drei Prozent auf. Ende Juni 2008 steigt der amerikanische Finanzinvestor und frühere Goldman-Sachs-Banker Christopher Flowers sogar mit über 24 Prozent bei der HRE ein.
Als sich die Krise im Sommer zuspitzt, geraten die Münchner jedoch unter Druck. Staatsanwaltliche Ermittlungen kommen Jahre danach zu dem Ergebnis, Bankchef Funke hätte spätestens im Mai 2008 die Liquiditätsversorgung auf eine längerfristige Basis umstellen müssen. Dagegen heißt es noch Mitte August in einem Geschäftsbericht der Bank, selbst bei einer Störung des Marktes sei »sichergestellt, dass die HRE -Gruppe sowie ihre Tochterbanken jederzeit uneingeschränkt zahlungsfähig sind«. Zu dem Zeitpunkt ist die Refinanzierung über den kurzfristigen Geldmarkt, Schlüsselgröße im Geschäftsmodell der Bank, schon sehr viel teurer und schwieriger geworden.
Nach der Lehman-Pleite im Monat darauf verschärft sich die Lage dramatisch. Die HRE , vor allem die Infrastrukturfinanzierung bei der Depfa in Dublin, steht vor einem ernsten Liquiditätsproblem. Die größte und dramatischste Bankenrettungsaktion in der deutschen Geschichte nimmt ihren Lauf. Mehr noch als bei der IKB sollte Josef Ackermann dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Am Montag, dem 22 . September, eine Woche nach dem Ende von Lehman Brothers, greift HRE -Chef Funke zum Telefon und bittet seinen Kollegen von der Deutschen Bank um Liquiditätshilfe. Ackermann sagt eine schnelle Prüfung zu. Parallel dazu wendet sich Kurt Viermetz, Aufsichtsratsvorsitzender von HRE sowie Deutscher Börse und ein altgedienter Banker, der sein halbes Berufsleben in den USA verbracht hatte, »streng vertraulich« an Bundesfinanzminister Steinbrück. In einem Brandbrief fordert er ihn auf, die Bankenbranche zu drängen, seinem Haus rasch zu helfen. Anderenfalls müsse es schon bald die Zahlungsunfähigkeit
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