Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Demnach bleibt eine Finanzierungslücke von 20 Milliarden zu schließen. Die Experten des Prüfungsverbands werden beauftragt, bis zum nächsten Vormittag Vorschläge dafür zu entwickeln.
Am Samstag, dem 27 . September morgens um 10 Uhr, kommt die Runde erneut zusammen und stellt schnell fest, dass es ohne eine Beteiligung des Staates nicht geht. Nach der Mittagspause wenden sich Bundesbankpräsident Weber und BaFin-Chef Sanio deshalb in einem gemeinsamen Fax-Schreiben an das Bundesfinanzministerium. Darin schildern sie die Lage und bitten darum, einen hochrangigen Vertreter zu dem für den Nachmittag anberaumten ersten Treffen mit den privaten Banken zu entsenden.
Doch während am Vortag in Belgien das gesamte Kabinett über die Rettung der angeschlagenen Fortis-Bank beraten hatte, ist im politischen Berlin die Bereitschaft denkbar gering, nach dem Debakel mit der IKB erneut einem Geldinstitut mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen. Das Finanzministerium bietet nur einen Unterabteilungsleiter als Beobachter an. Weber und Sanio lehnen ab.
Zu dem Treffen am Samstagnachmittag bringt Josef Ackermann auch seinen Vorstandskollegen Bänziger mit, den obersten Risikomanager der Bank. Der eröffnet den Teilnehmern, dass sich bei einer Pleite der HRE am Montag kein europäisches Finanzinstitut mehr refinanzieren könne. Die Runde geht kurz nach 17 Uhr in der Überzeugung auseinander, dass die Münchner Bank wegen ihrer Vernetzung einerseits nicht fallen darf, andererseits ohne Hilfe aus Berlin nicht aufzufangen ist. Doch die Bundesregierung hat noch immer keinen Vertreter geschickt.
Da vor allem die Depfa in Irland in Nöten ist, prüfen die Teilnehmer nach dem Abendessen, ob und inwieweit sich die deutschen Bestandteile aus der HRE herauslösen lassen. So könnte der Finanzierungsbedarf in Deutschland gedrückt werden und vielleicht doch noch eine Lösung ohne Staat möglich sein. Doch wie immer man es dreht und wendet, diverse Vorschriften des Aktien- und Insolvenzrechts machen diesen Weg nicht gangbar. Es ist bereits nach Mitternacht, als sich die Runde schließlich auf Sonntagmorgen 10 Uhr vertagt. In gut 24 Stunden, wenn am Montagmorgen die Börse in Japan öffnet, muss es eine Lösung geben.
Zu Beginn des Treffens am Sonntagmorgen berichtet Bundesbankpräsident Weber von einem Telefonat mit Finanzminister Steinbrück, der das Wochenende zu Hause in Bonn-Bad Godesberg verbringt, knapp anderthalb Stunden Autofahrt von Frankfurt entfernt. Der Minister sei der Meinung, die Banken sollten das taumelnde Geldhaus über ihren Einlagensicherungsfonds auffangen. Die Anwesenden wissen, dass dies unmöglich ist. Das in der Kasse noch vorhandene Geld reicht dafür bei weitem nicht aus. Würden die privaten Banken den Fonds entsprechend den Verlustrisiken bei der HRE aufstocken, gerieten sie selbst in Probleme.
Weber plädiert nun dafür, möglichst rasch einen eigenen Lösungsvorschlag zu erarbeiten und ihn der Regierung zu unterbreiten. Am Nachmittag steht der Plan: Die Kreditwirtschaft insgesamt stellt eine Liquiditätslinie in Höhe von 15 Milliarden Euro zur Verfügung. Dies sichert der HRE vorerst das Überleben und verschafft Berlin genügend Zeit, eine endgültige Lösung umzusetzen. Hierfür soll die Bundesbank über eine sogenannte Emergency Liquidity Assistance ( ELA ) der EZB 20 Milliarden Euro bereitstellen und die Bundesregierung dafür bürgen. Das ELA -Instrument gibt den nationalen Notenbanken im Eurosystem die Möglichkeit, vorübergehend illiquiden Geldinstituten oder Ländern gegen Sicherheiten Geld zu leihen, sofern deren Solvenz gewährleistet ist.
Eventuelle Verluste hätten sich Banken und Staat je zur Hälfte zu teilen, wobei die Verluste der Banken bei zwei Milliarden gedeckelt werden sollten, da der Einlagensicherungsfonds nicht mehr aufbringen könne.
Das Finanzministerium kündigt jetzt endlich das längst geforderte Erscheinen von Staatssekretär Asmussen an. Dieser trifft kurz nach 17 Uhr in Frankfurt ein. Es sind noch acht Stunden, bis die Börse in Tokio eröffnet. Die Zeit wird knapp.
Hausherr Sanio informiert Asmussen über den Stand der Diskussion. Bundesbankchef Weber erinnert daran, dass europäische Nachbarländer wie Frankreich ebenfalls Garantien für Banken übernommen hätten. Der Staatssekretär verweist auf das deutsche Haushaltsrecht. Dieses stelle hohe formale Ansprüche an staatliche Bürgschaften. Weber erwidert, ein »Letter of Intent« der Regierung genüge für die
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