Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
alte Meldung von Spiegel Online als Aufmacher groß auf der Titelseite. Der Deutsche-Bank-Chef hatte tags zuvor in der Bild am Sonntag ausdrücklich klargestellt hatte, es dürfe »nicht dazu kommen, dass aus falschem Prestige-Denken hilfsbedürftige Banken die von der Regierung angebotene Hilfe nicht in Anspruch nehmen«. Dennoch wirft ihm die Regierung vor, den Erfolg des soeben unter Hochdruck geschnürten 500 -Milliarden-Rettungspakets zu gefährden, eine Art Dolchstoß in den Rücken also.
Nach der Kabinettssitzung lässt Bundeskanzlerin Merkel den stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg verkünden, Ackermanns Äußerungen bei der Führungskräftekonferenz seien »außerordentlich bedenklich, absolut unverständlich und inakzeptabel«. So scharf habe die Kanzlerin zuletzt reagiert, kommentiert der Stern , »als der Russe Medwedew in Georgien einmarschiert war«.
Selbst Finanzminister Steinbrück, im Umgang mit Bankern sonst nicht gerade als zimperlich bekannt, äußert sich differenzierter: Was der Chef der Deutschen Bank da gesagt habe, sei »geeignet, andere Banken, die das Rettungspaket in Anspruch nähmen, in einem ungünstigen Licht dastehen zu lassen«. Und fordert den Schweizer auf, klarzustellen, dass er selbst maßgeblich an den Vorbereitungen für das Rettungspaket beteiligt war.
In den Medien entspinnt sich eine heftige Kontroverse. Die Finanzkrise »mitverursacht zu haben«, so die Süddeutsche , wäre ein »Anlass, sich zu schämen, nicht eine Inanspruchnahme staatlicher Hilfe«. Die Welt bezeichnet Ackermanns Äußerung gar als »verbales Siegeszeichen«. Die Frankfurter Allgemeine glaubt dagegen, sich in einem »Tollhaus« zu befinden, Regierung und Koalition bedienten »niedrigste Instinkte, wenn sie einen Manager ausgerechnet für diesen lobenswerten Satz geißeln«.
Josef Ackermann ist derweil schon wieder in den USA . Als ich ihm von der Aufregung zu Hause berichte, zeigt er sich vor allem von der Kanzlerin enttäuscht. Er hätte erwartet, dass sie zuerst einmal zum Hörer greift und direkt mit ihm spricht, ehe sie Dritte öffentlich über ihn sprechen lässt.
Ackermann und Merkel kennen, respektieren, ja schätzen sich seit vielen Jahren. Im Mannesmann-Prozess war ihm die CDU -Politikerin mutig zur Seite gesprungen. Das Verfahren sei ein »Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland«, sagt sie, sie habe keine Zweifel an der »persönlichen Integrität« des Deutsche-Bank-Chefs. Nach Ackermanns Victory-Zeichen steht sie dann plötzlich ziemlich dumm da.
Doch der Beziehung tut das keinen Abbruch. Die beiden sind sich in vielem ähnlich. Sie sind ebenso lernbegierig wie lernfähig, frei von Allüren und Extravaganzen, überlegt und von ruhigem Gemüt. Zur Kanzlerin geworden, spricht Merkel öfter mit dem Deutschbanker, holt sich Rat oder bittet ihn um Hilfestellung. Etwa als es darum geht, die Aktionärsstruktur des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS neu zu ordnen und dabei die deutschen Interessen zu wahren. Merkel und Ackermann kommen zudem beide viel in der Welt herum, treffen Regierungschefs und Staatsoberhäupter – Stoff für einen regelmäßigen Informations- und Gedankenaustausch gibt es also mehr als genug.
Auch privat haben die beiden manches gemeinsam. Sie lieben Opernmusik, Hausmannskost und lange Wanderungen, vorzugsweise in den Bergen. Als er 60 wird, lädt Ackermann das Ehepaar Merkel / Sauer selbstverständlich zu seiner privaten Geburtstagsfeier ein. Zu seinem großen Bedauern muss die Regierungschefin wegen dringender anderer Termine absagen.
Im Herbst desselben Jahres zahlt sich die gute Beziehung der beiden für das Land aus: Mitten in der Nacht und in letzter Minute bewahren sie in einem Telefonat die HRE und mit ihr das Finanzsystem vor dem Kollaps. Merkel sei es dabei gelungen, so Ackermann im HRE -Untersuchungsausschuss später, anderthalb Milliarden Euro mehr aus ihm »herauszupressen«.
Doch je stärker Banken im Verlaufe der steuerfinanzierten Rettungsaktionen beim Volk in Verruf kommen und je näher der Termin der Bundestagswahlen im Herbst 2009 rückt, desto mehr geht die Politikerin, zumindest nach außen, auf Distanz zu dem Banker. Angela Merkel ist ein Machtmensch und achtet zuallererst auf ihre eigenen Interessen.
Genau wie Josef Ackermann. Er habe der Kanzlerin »immer klar gesagt«, dass er »primär ein Angestellter der Deutschen Bank« sei, erzählt er. »Wir werden nicht von Deutschland bezahlt, sondern von unseren
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