Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
zur Allianz gehörenden Dresdner Bank absichern. Die Regierung möchte einen zweiten nationalen Bank-Champion zimmern und zugleich den Versicherungsriesen aus dem Bankenstrudel heraushalten.
Trotz der enormen Belastung für den Steuerzahler fallen jedoch nicht etwa die Allianz- oder Commerzbank-Oberen in Ungnade, der Bösewicht heißt wieder einmal Josef Ackermann. Die Kritik an ihm nimmt in Berlin bald derartige Ausmaße an, dass sich Michael Fuchs, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion im Bundestag, zu einem Brandbrief an seinen eigenen Vorstand veranlasst sieht. Es mache ihn »betroffen«, schreibt er darin, dass auch aus den eigenen Reihen »ausgerechnet diejenigen am lautesten beschimpft werden, die keine Hilfe aus den bereitgestellten milliardenschweren staatlichen Rettungstöpfen nehmen wollen«. Dabei verdiene, »wer sich schämen würde, mit Steuergeld private Verluste zu sozialisieren, und das auch öffentlich bekennt, statt Schelte und Häme unsere ungeteilte Anerkennung und unser Lob«.
Mit dem allgemeinen »Hau den Josef« verschärft sich auch die persönliche Gefahrenlage für den Chef der Deutschen Bank wieder deutlich. An der Tür seiner Wohnung im Frankfurter Westend, deren Adresse nur ganz wenigen Personen bekannt ist, erkundigt sich eine verdächtige Person nach ihm, die Zahl der Drohbriefe nimmt explosionsartig zu. Der Berliner Kabarettist und Liedermacher Marc-Uwe Kling singt: »Hörst du mich, Josef Ackermann, einer muss als Erster sterben, du bietest dich da an. Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat.« Kaum jemand regt sich darüber auf, genauso wenig wie zuvor über die Äußerungen des Präsidentschaftskandidaten Sodann.
Den Schweizer erinnert das Meinungsklima an die schlimmsten Zeiten des Mannesmann-Prozesses. Zwar kann er nach außen inzwischen professionell damit umgehen. Fragen dazu beantwortet er cool: »Der Chef der Deutschen Bank ist das Gesicht der Finanzbranche in Deutschland. Deshalb bekommt vor allem er die Kritik für das ab, was die Branche insgesamt falsch gemacht hat. Und zwar unabhängig davon, ob das auch für seine Bank oder ihn persönlich zutrifft.« Der Banker Ackermann versteht, dass die Politiker einen Blitzableiter brauchen. Und dass er dafür herhalten muss. Niemand sonst ist auch nur annähernd prominent genug für diese Rolle.
Den Menschen Josef Ackermann macht die neu ausgebrochene Feindseligkeit jedoch tief betroffen. Es falle ihm »schwer zu verstehen«, so Ackermann »dass eine Bank, die auch in dieser schweren Krise noch Gewinn macht, die kein Steuerzahlergeld beansprucht und deren Führung auf Millionen an Boni verzichtet, dafür auch noch so kritisiert wird«. Woran, so fragt er sich (und mich) in dieser Zeit immer wieder, liegt das? Warum erfährt er ausgerechnet in seinem Gastland nicht verlässlich die Anerkennung, die ihm überall sonst in der Welt entgegengebracht wird? In diesen Wochen sprechen wir viel über das Verhältnis der Deutschen zu Josef Ackermann. Auf längeren Autofahrten, im Flugzeug und spätabends in der Hotelbar bei Gin Tonic oder Rotwein.
Obwohl auch in meinen Augen manches Urteil über ihn total danebenliegt, finde ich die Reaktionen auf Josef Ackermanns »Schämen«-Satz nicht so negativ wie er. Die Meinung in den Medien dazu ist geteilt. Mehr kann man von einer freien Presse nicht erwarten. Überdies entspricht die veröffentlichte Meinung nicht unbedingt der öffentlichen Meinung, wie sich bald herausstellt. Bei einer repräsentativen Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut Infratest erklären über 70 Prozent, dass sie es gut finden, wenn ihnen neben IKB , HRE , Commerzbank und diversen Landesbanken nicht auch noch die größte deutsche Bank in die Tasche greift. Alles andere wäre ja auch geradezu pervers gewesen.
Aber der direkt Betroffene nimmt Kritik verständlicherweise immer schwerer. Erst wer selbst einmal die Erfahrung gemacht hat, vor aller Welt abgewatscht zu werden, weiß, wie einem dabei zumute ist. Ich ermuntere Josef Ackermann daher, die Schelte nicht persönlich zu nehmen. Gemeint sei der Chef der Deutschen Bank, nicht der Mensch Josef Ackermann. So einleuchtend sich das anhört, so schwer fällt es doch, dies auch gefühlsmäßig auseinanderzuhalten.
Immer wieder gibt der Schweizer zu bedenken, ob ihm die gewünschte Anerkennung in Deutschland nicht vielleicht – bewusst oder unbewusst – deswegen verweigert wird, weil er der erste Ausländer an der Spitze des größten
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