Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Aktionären. Wir können nicht einfach sagen, das machen wir der Regierung zuliebe.«
Die harsche Kritik an seiner »Schämen«-Äußerung lässt der Schweizer kurz und bündig zurückweisen: Die Deutsche Bank lege »Wert auf die Feststellung, dass sie das betreffende Gesetz selbstverständlich unterstützt – unabhängig davon, dass sie selbst kein Kapital vom Staat benötigt«. Ihr Vorstandsvorsitzender habe »an der Erarbeitung des Gesetzes persönlich mitgewirkt und öffentlich davor gewarnt, aus falschem Prestigedenken die Hilfe des Staates nicht anzunehmen«.
Zu einer wirklich ernsten und nachhaltigen Verstimmung zwischen Merkel und Ackermann kommt es wegen seines Verzichts auf Staatsgeld nicht. Der oberste Deutschbanker trifft sich mit der Kanzlerin bald darauf zu einem vertraulichen Gespräch und bereinigt die Atmosphäre.
Kurz vor Weihnachten lädt die Regierungschefin führende Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften zu einem Gipfel ein. Sie will erörtern, wie sich eine mögliche Kreditklemme verhindern lässt, die die Wirtschaft abwürgen könnte. Der Schweizer ist ebenso selbstverständlich dabei wie auf dem Konjunktur-Krisengipfel im April des darauffolgenden Jahres. Später, in der europäischen Schuldenkrise, arbeitet Merkel, nachdem sie den Ernst der Lage einmal realisiert hatte, hinter den Kulissen wieder aufs Engste mit ihm zusammen.
Bis bekannt wird, dass die Inanspruchnahme von Staatsgeld eine Deckelung der Vorstandsgehälter auf 500 000 Euro nach sich zieht, sind auch manche Deutsche-Bank-Kollegen zunächst gar nicht so glücklich über die Soffin-Abstinenz ihres obersten Chefs. Billiger, so argumentieren sie hinter vorgehaltener Hand, komme man so schnell nicht wieder an Kapital. Amerikaner und Briten erhielten durch die Kapitalspritzen ihrer Regierungen womöglich einen Wettbewerbsvorteil und könnten künftig schneller wachsen.
Doch Josef Ackermann lässt sich nicht beirren. »Wenn die Regierung bei der Geschäftspolitik mitreden könnte«, sagt er einmal, »wäre das tödlich für die Bank. Sie wäre danach nie mehr das, was sie zuvor war. Ihr Nimbus wäre unwiederbringlich perdu!« Der Schweizer setzt darauf, dass seine kompromisslose Haltung dem Haus zum Vorteil gereicht – was sich auch schon bald bewahrheiten sollte. Die Deutsche Bank wird dadurch weltweit als stark und sicher wahrgenommen und bei Kunden und Anlegern begehrter denn je. In den kommenden Monaten vertrauen diese ihr viele Milliarden zusätzlich an.
Aber das ist nicht alles. Der Schweizer weiß, dass er nun sofort zurücktreten müsste, wenn sein Haus doch noch staatliche Hilfe brauchen sollte. Bei einem Auftritt in der Katholischen Akademie in Berlin macht er klar, dass die Bank selbstverständlich nicht zögern würde, sollte sie trotz aller Bemühungen Steuergeld benötigen: »Unser Ziel ist es nicht, in Freiheit zu sterben.«
Für den überzeugten Marktwirtschaftler handelt es sich um eine Prinzipienfrage. Er will zunächst selbst alles tun, um seine Probleme zu lösen, ehe er die Solidargemeinschaft um Hilfe bittet: »Ich nehme nur Steuergeld, wenn ich es wirklich brauche. So bin ich erzogen.« Ackermann sieht auch keinen Widerspruch darin, ein Rettungspaket für die Branche mit auszuarbeiten, es selbst aber nicht in Anspruch zu nehmen. »Ich muss mich doch auch nicht gleich arbeitslos melden, nur weil ich die Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung befürworte.«
Der Schweizer hat schon im Elternhaus gelernt, nicht auf andere zu warten, sondern nach der Methode »Selbst ist der Mann« voranzugehen. Er will lieber reformieren als reformiert werden, lieber selbst aufräumen, als das dem Staat zu überlassen. Josef Ackermann empfindet Reue über die Fehler der Vergangenheit, er ist bereit, Buße zu tun und bei der Beseitigung der Schäden zu helfen. Er lehnt es aber ab, vor der Politik zu Kreuze zu kriechen.
Anders als von Kritikern an die Wand gemalt, hält Ackermanns »Schämen«-Äußerung bedürftige Banken keineswegs davon ab, Staatsgeld zu nehmen. Die befürchtete Kreditklemme in der Wirtschaft bleibt aus. Bis Mitte Dezember reichen 15 deutsche Finanzinstitute Anträge beim Soffin ein. Am reichlichsten aus dem Steuersäckel bedient sich die Commerzbank, der inländische Hauptwettbewerber der Deutschen Bank. Sie erhält eine staatliche Eigenkapitalspritze von über 18 Milliarden Euro. Im Gegenzug übernimmt der Bund ein Viertel der Aktien.
Die Milliarden sollen den bereits eingefädelten Kauf der
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