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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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deutschen Geldinstituts ist. »Ich bin erst mit fast 50 Jahren in dieses Land gekommen«, sagt er, »mir fehlen hier die Jugendfreundschaften, die Studienkollegen, die beruflichen Seilschaften.«
    Das mag eine gewisse Rolle spielen. Viel wichtiger aber erscheint mir etwas ganz anderes: Mit dem Wandel zu einer weltweit führenden Investmentbank ist die Deutsche Bank den Deutschen fremd geworden. Im Unterschied zu anderen global operierenden Unternehmensikonen des Landes ist ihr Kern damit ins Ausland abgewandert: nach London und New York. Dort werden – anders als etwa bei Siemens oder Mercedes – im Wesentlichen die Produkte und Dienstleistungen erdacht und entwickelt, die das Geldinstitut weltweit verkauft. Dort ist die Küche, in Deutschland steht nur noch eine Theke.
    Investmentbankern an der Wall Street und in der Londoner City gilt der Finanzplatz Deutschland als tiefste Provinz. Die besten Maschinenbau-Ingenieure mögen aus dem Land kommen, die besten Finanzingenieure sicher nicht.
    Diese Entfremdung macht die Menschen zwischen Flensburg und Garmisch besonders kritisch gegenüber der Bank, die den Namen ihres Landes trägt und die für sie zum Mobiliar der Republik zählt. Deswegen erwarten sie von ihrem Chef ein besonderes Bekenntnis zu Deutschland. Wenn er Ausländer ist, noch mehr als von einem Einheimischen.
    Wobei im Falle Josef Ackermanns fast die Hälfte der Deutschen überhaupt nicht um seine Schweizer Herkunft weiß. Draußen in der Welt wird der Deutsche-Bank-Chef ohnehin überall als Deutscher wahrgenommen. Und widerspricht dem auch nie. »Als Herr Putin in Moskau einmal zu mir sagte, er wünsche sich, dass unsere beiden Länder im Finale der Fußball-Europameisterschaft gegeneinander spielen, hat er bestimmt nicht die Schweiz gemeint. Ich habe ihn nicht korrigiert.«
    Ackermann sei es viel zu wichtig, was über ihn gesagt und geschrieben wird, monieren manche, das sei seine große Schwäche. Tatsächlich liegt dem Deutsche-Bank-Chef sehr viel daran, wie er ankommt und was andere über ihn denken. Nach öffentlichen Auftritten will er die Zahl der Teilnehmer wissen und fragt nach ihrem Feedback. War er im Fernsehen, erkundigt er sich nach den Einschaltquoten. Sogar Ex-Finanzminister Steinbrück, selbst nicht gerade ein Mauerblümchen, bescheinigt dem Schweizer ein ausgeprägtes »Darstellungsbedürfnis«.
    Mir ist von Anfang an klar, warum sich Josef Ackermann so um seine Popularität sorgt. Von Kindesbeinen an ist er es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, bewundert und umschwärmt zu sein. Zu Hause, in der Schule, beim Militär, an der Universität, in seiner Bankkarriere – das ganze Leben läuft für Josef Ackermann wie am Schnürchen. Dann, er ist schon fast 50 Jahre, kommt der erste Rückschlag bei der SKA , der aber durch den prompten Wechsel und weiteren Aufstieg bis an die Spitze der Deutschen Bank schnell kompensiert wird. Josef Ackermann ist wieder auf Kurs – bis zum Mannesmann-Prozess. Die völlig ungewohnte, harsche und anhaltende Kritik im Zusammenhang mit dem Untreue-Vorwurf erschüttert ihn in seinem Innersten und verunsichert ihn zutiefst. Seitdem hat er nicht mehr aufgehört, sich selbst zu hinterfragen – um sich seiner selbst immer wieder zu vergewissern.
    Mancher mag das als eine Schwäche betrachten – in der Krise erweist es sich jedenfalls als Stärke: Der Deutsche-Bank-Chef ist nicht wie so viele andere in solchen Positionen abgestumpft. Er hat die Lebenswirklichkeit nicht aus den Augen verloren, er hört zu, lässt Kritik an sich herankommen und ist bereit, ständig dazuzulernen – über seine Branche, die Politik, die Deutschen, die Medien und sich selbst.
    Josef Ackermann sucht nicht nur fachliche Anerkennung, er will auch, dass die Menschen ihn mögen – ohne dass er sich dafür jedoch verbiegen muss. Er will alles. Mit wachsender Genugtuung nimmt er denn auch über die Jahre zur Kenntnis, dass sowohl seine eigenen Reputationswerte immer besser werden als auch die Werte für sein Haus während der Krise vergleichsweise wenig einknicken und sich schneller wieder erholen als die anderer Institute.
    Auf dem European Banking Congress in Frankfurt im November 2008 legt der Schweizer öffentlich das Versprechen ab, alles zu tun, um die »Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und ähnliche Dinge in der Zukunft zu vermeiden«. Er beurteile inzwischen manches anders als früher, sei in manchen Fragen, so sagt er selbst, »vom Saulus zum Paulus« geworden.
    »Ein Banker

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