Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
geht büßen«, titelt die tageszeitung anderntags und schreibt, Ackermann begleite »den Triumph, kein Staatsgeld anzunehmen«, mit einer »Demutsoffensive«.
Die Zahlen, die der Deutsche-Bank-Chef in diesen Tagen auf den Tisch bekommt, geben allen Anlass zu Demut. Im vierten Quartal und für das gesamte Jahr 2008 droht ein tiefrotes Ergebnis, das erste seiner Amtszeit und in der Geschichte des Instituts. Ende November 2008 rutscht der Börsenkurs auf unter 20 Euro ab, der tiefste Stand seit über zehn Jahren und meilenweit entfernt von den über 90 Euro noch ein Jahr zuvor. Die Marktkapitalisierung beträgt gerade mal noch ein Drittel des Buchwertes.
In einem Brief an die Führungskräfte der Bank kündigt Josef Ackermann eine strategische Neuausrichtung an: Die riskanten Eigenhandelsgeschäfte sollen nahezu vollständig zurückgestutzt werden, 900 der insgesamt 7000 Stellen im Handelsbereich in London und New York entfallen. Risikopositionen will er beschleunigt abbauen und die im Vergleich zu ihren US -Wettbewerbern hohe Verschuldungsquote (Leverage Ratio), also die Bilanzsumme im Verhältnis zum Eigenkapital, drastisch verringern. Die Quote, die noch Mitte 2008 nach amerikanischer Rechnungslegung bei 40 : 1 gelegen hatte, fällt schließlich bis auf 23 : 1 .
Die Börse honoriert die Strategiekorrektur mit einem Kurssprung von fast 25 Prozent. Bereits im Monat zuvor hatte Ackermann auf einer Investorenkonferenz in London durchblicken lassen, den Bereich Privat- und Geschäftskunden in Europa deutlich ausbauen zu wollen.
Mitte Dezember meldet die US -Investmentbank Goldman Sachs, die zusammen mit JP Morgan und der Deutschen Bank bis dahin am besten durch die Krise gesteuert war, erstmals seit ihrem Börsengang zehn Jahre zuvor ein Quartal mit roten Zahlen. Das Minus beträgt über zwei Milliarden Dollar. Einen Tag später folgt die Investmentbank Morgan Stanley mit einem Quartalsverlust von 2 , 3 Milliarden Dollar.
Nun nehmen auch entsprechende Spekulationen für die Deutsche Bank von Tag zu Tag zu. Anfang Januar 2009 wird bekannt: Boaz Weinstein, seit dem Weggang von Rajeev Misra ein Jahr zuvor zusammen mit Colin Fan für den weltweiten Wertpapierhandel zuständig, muss die Bank verlassen. Weinstein, 35 , leidenschaftlicher Pokerspieler, Black-Jack-As und Schachmeister, hatte darauf gewettet, dass sich die Verwerfungen auf den Kreditmärkten rasch wieder abbauen würden, und damit 1 , 8 Milliarden Dollar verspielt. Der Gewinn von schätzungsweise anderthalb Milliarden Dollar, den er in den beiden Jahren zuvor im Eigenhandel für die Bank eingespielt hatte, war ausradiert.
Josef Ackermann lässt den Bereich, eine Art Hedgefonds innerhalb der Bank, schließen. Die Krise habe »einige Schwächen im Handelsgeschäft offenbart«, sagt er auf der Jahrespressekonferenz einen Monat später. Um im Eigenhandel die angepeilten zwei Milliarden Euro einzunehmen, müsse die Bank fünf bis zehn Milliarden vom eigenen Kapital riskieren. Das sei »kein attraktives Verhältnis«. Man könne »leicht zwei bis drei Milliarden verlieren. Das haben wir 2008 gesehen, und das ist etwas, was wir nicht noch einmal sehen wollen.«
Die Botschaft ist klar: Das große Spiel auf Pump an den Märkten ist vorbei. Für so manches moderne Finanzprodukt, für große Schuldenhebel und Leute wie Weinstein ist in seinem Haus kein Platz mehr. »Eine Rückkehr zur Tagesordnung ist für uns keine Option«, so Ackermann. Im Lichte der Erfahrungen aus der Finanzkrise will der Schweizer die Bank neu ausrichten –auch wenn dies nicht überall auf freudige Zustimmung stößt. Das Institut soll künftig weniger riskant und auf sich bezogen operieren und stattdessen wieder voll seinen »genuinen Aufgaben als Diener der realen Wirtschaft gerecht werden«, wie er einmal sagt.
Binnen eines einzigen Jahres geht die Bilanzsumme von 2 , 2 Billionen Euro um 600 Milliarden, der doppelte Umfang des gesamten Bundeshaushalts, auf 1 , 6 Billionen Euro zurück. Aber die Bank baut nicht nur massiv Risikopositionen ab, Josef Ackermann fährt auch die Risikoneigung zurück. Dazu lässt der Deutsche-Bank-Chef das Vergütungssystem grundlegend reformieren und auf langfristige Wertsteigerung ausrichten. Der Bonustopf wird verkleinert. Der fixe Anteil nimmt gegenüber den variablen Komponenten zu. Der größere Teil der variablen Vergütung erfolgt über drei bis vier Jahre aufgeschoben abhängig vom Erfolg der Bank – und kann von dieser sogar zurückgeholt werden.
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