Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Doms. Als der letzte Patriarch der Sippe Alfred (»Alfi«) Freiherr von Oppenheim 2005 stirbt, wird die Totenmesse für den Protestanten in Deutschlands berühmtester katholischer Kirche gelesen – ein Novum in der Geschichte der Kathedrale. Sogar Bundeskanzlerin Merkel reist an.
»Sal. Oppenheim«, so der Historiker Michael Stürmer, »gehörte über Jahrhunderte zu den Stützpfeilern des Landes«. Doch dann, in der siebten Generation, verspielen der in die Familie eingeheiratete Matthias Graf von Krockow und seine Partner in einer Mischung aus Geltungssucht, Überheblichkeit und Inkompetenz die ruhmreiche Tradition innerhalb weniger Jahre.
Das Erbe tritt ausgerechnet der Mann an, den der Graf gerade mal gut ein Jahr zuvor, im Sommer 2008 , ohne ihn freilich beim Namen zu nennen, in der Börsenzeitung heftig attackiert hatte: » 15 Prozent nachhaltige Eigenkapitalrendite sind mit einem normalen, soliden Geschäft einfach nicht machbar«, so Krockow in Anspielung auf das Renditeziel von Josef Ackermann. »Die Gier muss gestoppt werden. Man kann nicht mit fremder Leute Geld große Spielkasinos betreiben.«
Im Herbst desselben Jahres schließt der Sal.-Oppenheim-Chef auch »definitiv« aus, Staatshilfe in Anspruch zu nehmen: »Wir verfügen über eine gesunde Eigenkapitalausstattung und solide Bilanzrelationen.« Er prahlt damit, »zu günstigen Kursen wertvolle Beteiligungen zu erwerben«, und verkündet hochgemut: »Sal. Oppenheim ist als unabhängige Privatbank seit 220 Jahren in Familienbesitz, und daran wird sich auch nichts ändern.«
Ein derartiges Maß an Selbstüberschätzung ist selbst in der nicht gerade zur Bescheidenheit neigenden Geldbranche selten. Schon wenige Monate später steht das Traditionshaus am Rand des Zusammenbruchs. Die Mesalliance mit dem Troisdorfer Immobilienentwickler und Vermögensverwalter Josef Esch, riskante Spekulationen im Eigenhandel mit Zertifikaten, vor allem aber kapitale Fehlinvestitionen wie die bei dem maroden Karstadt-Mutterkonzern Arcandor, der im Juni des darauffolgenden Jahres Insolvenz anmelden muss, haben es dahin gebracht.
Die BaFin schreitet ein und verlangt ultimativ eine deutliche Kapitalerhöhung. Die Gesellschafter haben sich jedoch finanziell bereits völlig verausgabt. Am Ende können sie froh sein, dass die Deutsche Bank in die Bresche springt und unter ihrem Konzerndach wenigstens der Markenname und eine gewisse Eigenständigkeit erhalten bleiben. Die Partner aus der ehemals »Chefcabinet« genannten Führungsspitze der Bank werden von der BaFin zum Rücktritt gezwungen und müssen sich inzwischen auch vor Gericht verantworten.
Sal. Oppenheim kostet 1 , 3 Milliarden Euro, inklusive ihrer Banktochter BHF (Buchwert: 650 Millionen Euro) und anderer Bereiche neben der Vermögensverwaltung. »Ein Schnäppchenpreis«, kommentiert das Handelsblatt .
Der Deutschen Bank fließen durch die Übernahme über 130 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen in dem heißumkämpften Markt der Reichen und Superreichen zu, rund 50 Milliarden davon in Deutschland. Damit verdoppelt sie fast die Größe ihrer Vermögensverwaltung und rückt den Schweizer Vorbildern in diesem Geschäft, die in der Krise starke Abflüsse hinnehmen mussten, ein Stück näher.
Mit dem Erwerb von Postbank, Teilen von ABN Amro sowie Sal. Oppenheim hat Josef Ackermann die Voraussetzungen für ein stärker am Kunden orientiertes, stabileres und besser ausbalanciertes Haus geschaffen. Seine dritte bleibende Leistung als Bankchef, nachdem er die Paradebank des Landes zuvor bereits in die Spitzengruppe der globalen Investmentbanken und dann vergleichsweise unbeschadet durch die Klippen der schwersten Finanzkrise seit Menschengedenken manövriert hatte.
Kapitel 8
Der schlimmste Tag
Die Herausforderungen der Krise, das rastlose Reisen, die immer wiederkehrenden öffentlichen Anfeindungen zeichnen mit der Zeit auch den robusten Schweizer. Die Haare werden grau, die Ringe um die Augen dunkler, die Furchen im Gesicht tiefer, er altert rapide.
In den letzten Monaten des Jahres 2008 drückt zudem das zu erwartende schlechte Jahresergebnis schwer auf sein Gemüt. Zum ersten Mal zeigt sich der sonst immer so gelassene Mann dünnhäutig. Vor Weihnachten hört er zeitweise sogar auf, sich jeden Nachmittag den Bericht genau anzusehen, der ihn darüber informiert, wo die Bank steht. Die Zahlen sind gar zu deprimierend.
Die Festtage bringen auch wegen des persönlichen Angriffs von Bischof Huber keine Erholung. Am
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