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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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bearbeiten. Entscheidend ist doch, dass weitere Proben existieren, die getestet werden können.«
    »Euer Ehren, das mag ja sein. Aber angesichts des Verhaltens dieses Labormitarbeiters und des Versäumnisses des Labors, ihn aus dem Verkehr zu ziehen – geschweige denn, sein Fehlverhalten auch nur zu bemerken –, hat mein Mandant berechtigte Zweifel daran, dass zukünftige Testverfahren von diesem Labor zuverlässig durchgeführt werden. Vorher müsste die Angelegenheit erst gründlich untersucht und aufgeklärt werden. Da die gefälschte Probe bereits als Beweismittel vorgelegt wurde, möchte ich darüber hinaus einwenden, dass die Geschworenen nicht mehr unvoreingenommen sind.«
    »Sie können gern eine Klageabweisung mit der Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens beantragen, Mr Sedaka. Auf diese Weise könnten wir den Prozess mit einer neuen Jury fortsetzen.«
    Alex zögerte. Er wusste, dass die Zeugen der Anklage bei einer Neuaufnahme des Verfahrens die Untiefen umschiffen würden, die ihnen beim ersten Mal zum Verhängnis geworden waren. Aber vielleicht trat auch die gegenteilige Wirkung ein. Alvarez musste seine Aussage ohnehin nach rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausrichten und die Ergebnisse der neuen DNA-Tests neutral vortragen. Aber Albert Carter und Bethel Newton würden nach der demütigenden Erfahrung der Kreuzverhöre vielleicht davor zurückschrecken, erneut vor Gericht auszusagen.
    »Einverstanden, Euer Ehren«, sagte Alex schließlich.
    Jetzt bekam Sarah Jensen Panik: »Euer Ehren, das wäre ein riesiger Einschnitt und eine beträchtliche Belastung für meine Zeugen, von denen einige ohnehin emotional labil sind. Außerdem haben sie ja bereits nach bestem Wissen und Gewissen ausgesagt.«
    Ellen Wagner zögerte nachdenklich und sagte dann: »Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir ohnehin noch nicht, wie die neuen Testergebnisse ausfallen. Es erscheint mir daher sinnlos, die Ergebnisse vorwegzunehmen. Falls sie den Angeklagten als Täter ausschließen, wird uns die Entscheidung abgenommen, falls nicht, höre ich mir noch einmal die Vorschläge beider Parteien an, wie weiter verfahren werden soll. Wie lange wird es dauern, bis die Ergebnisse vorliegen, Mrs Jensen?«
    »Es wird wieder ein Y-STR-Test gemacht, daher müssten vier bis fünf Tage ausreichen.«
    Die Richterin wandte sich an Alex: »Ist die Verteidigung bereit, am Montagmorgen weiter zu verhandeln, falls die neuen Tests den Angeklagten nicht als Täter ausschließen?«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Mrs Jensen?«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Gut, dann wird die Verhandlung auf Montagmorgen vertagt.«

Mittwoch, 26. August 2009 – 18.00 Uhr
    Andi hatte Gene nichts von der Vertagung erzählt, sondern beschlossen, sie ihrerseits mit einem unerwarteten Besuch zu überraschen. Vielleicht hatte Gene bereits in den Nachrichten gehört, dass das Gericht erst wieder am Montag tagen würde, aber es war unwahrscheinlich, dass sie daraus auf einen Besuch ihrer Freundin schloss.
    Andi hatte sich auf Genes überraschtes Gesicht gefreut und war, nachdem sie am frühen Nachmittag am Flughafen angekommen war, sofort nach Hause gefahren, um für sie zu kochen. Wenn Gene von der Arbeit kam, sollte das Abendessen, das Andi bei Kerzenlicht und Wein auf ihrem besten Porzellangeschirr und der Spitzentischdecke zu servieren gedachte, bereits im Ofen auf sie warten. Ihr letztes romantisches Beisammensein war Ewigkeiten her.
    Das Haus war leer gewesen, als sie endlich dort angekommen war, woraus Andi schloss, dass Gene mal wieder länger arbeitete. Während sie nun ihr Boeuf Bourguignon zubereitete, kamen ihr Schuldgefühle, weil sie Gene in L.A. allein gelassen hatte und sich stattdessen in Oakland für diesen widerlichen Menschen einsetzte, der ihre Bemühungen – wie Gene ganz richtig gesagt hatte – nicht wert war.
    Nun, wenigstens konnte sie Gene mit einem schön gedeckten Tisch überraschen, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Aber es wurde acht und schließlich neun Uhr, und von Gene war noch immer nichts zu sehen. Anfangs versuchte Andi, das Essen warm zu halten, aber dann kapitulierte sie und stellte den Ofen aus, bevor das Fleisch zu trocken wurde.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Eine trostlose Einsamkeit überkam sie, und sie begriff, wie traurig es für Gene gewesen sein musste, ständig allein zu sein.
    Von Gewissensbissen geplagt ging sie zu ihrem Auto und machte sich auf den Weg ins Krisenzentrum.

Mittwoch, 26. August 2009 – 20.30

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