Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
Vom Netzwerk:
einer Anordnung zur Verhaftung des Zeugen werde ich zunächst absehen. Ich bin mir jedoch sicher, dass sich die Staatsanwaltschaft der Sache annehmen und zu gegebener Zeit die notwendigen Schritte einleiten wird.«
    Steven Johnson verließ zitternd und schluchzend den Zeugenstand.
    Alex stand auf und bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. »Darf ich nach vorn kommen, Euer Ehren?«
    »Bitte.«
    Alex, Andi und Sarah Jensen näherten sich der Richterbank.
    »Euer Ehren«, sagte Alex. »Angesichts der Tatsache, dass die Probe nicht nur verdorben, sondern eindeutig gefälscht war, denke ich, dass ein von der Anklage unwidersprochener Antrag auf rechtskräftige Klageabweisung angebracht wäre.«
    Die Richterin wandte sich erwartungsvoll an die Staatsanwältin: »Möchten Sie dem Antrag widersprechen?«
    »Allerdings«, erwiderte Sarah Jensen halbherzig. »Die Probe mag verdorben gewesen sein, aber genau dafür haben wir ein zuverlässiges Backup-System.«

Mittwoch, 26. August 2009 – 15.00 Uhr
    Gene Vance verfolgte den Prozess am Fernseher des Krisenzentrums für Vergewaltigungsopfer. Sie war inzwischen nach L.A. zurückgekehrt, weil sie dort gebraucht wurde und keine weiteren Tage freibekam. Aber sie konnte sich nicht wirklich auf ihre Arbeit konzentrieren.
    Ein eigenartiges Gefühl der Verwirrung überkam sie, während sie die Ereignisse im Gerichtssaal zu verstehen versuchte. Gerade hatte die Anklage gegen Elias Claymore noch einen bombensicheren Eindruck gemacht, und im nächsten Moment drohte sie, in sich zusammenzustürzen. Gene wusste nicht viel über die Gesetzeslage im Allgemeinen, aber sie kannte sich mit der Gesetzeslage bei Vergewaltigungen aus und wusste, dass die Anklage die schockierende Enthüllung, die sich soeben im Gerichtssaal zugetragen hatte, auf keinen Fall überstehen würde.
    Egal wie stark die Aussage des Opfers auf die Geschworenen gewirkt hatte, erst durch die DNA war die Vergewaltigung unbestreitbar mit Claymore in Verbindung gebracht worden. Und ohne diese DNA machten Bethels widersprüchliche Angaben über das Alter des Angreifers eine Verurteilung Claymores unmöglich. Gene konnte nur raten, was vorn an der Richterbank besprochen wurde, denn die Mikrofone waren ausgeschaltet. Aber sie ging davon aus, dass es um gesetzliche Spitzfindigkeiten und die Frage ging, ob die Klage rechtskräftig abgewiesen würde oder ob theoretisch eine Neuaufnahme des Verfahrens möglich war. Nicht, dass es wirklich zu dieser Neuaufnahme kommen würde, aber es ging darum, dass die Anklagevertretung ihr Gesicht wahrte. Wenn die Richterin von der Staatsanwaltschaft verlangte, dass sie die Anklage rechtskräftig, also ohne die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens, fallen ließ, wäre das eine Schmach für Sarah Jensen. Sie würde persönlich die Schuld auf sich nehmen müssen, wenn die Staatsanwaltschaft einen Sündenbock suchte.
    Sarah Jensen tat Gene leid. Aber auch Bethel tat ihr leid. Diese hatte sich zumindest einen Hauch von Gerechtigkeit gewünscht, und jetzt bekam sie gar nichts und würde den Gerichtssaal mit leeren Händen verlassen müssen.
    Das war nicht richtig.
    Gene griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer.

Mittwoch, 26. August 2009 – 15.05 Uhr
    »Was meinen Sie mit Backup-System?«, fragte Richterin Wagner und beugte sich nach vorn.
    »Wir hatten drei Fingernagelproben von Miss Newton, jeweils eine von Zeige- und Mittelfinger ihrer linken Hand und eine vom Daumen ihrer rechten Hand. Diese Proben wurden alle separat aufbewahrt, um zu gewährleisten, dass auch nach Durchführung eines zerstörenden Tests DNA erhalten bleibt. Der Laborant hat zwar eine Probe verdorben, aber im Labor lagern noch zwei weitere Proben, die für Tests zur Verfügung stehen. Ich schlage vor, dass das Gericht die Fortführung des Prozesses anordnet, damit wir eine dieser Proben aufbereiten und testen können.«
    Alex wurde immer gereizter, weil er spürte, wie ihm der Sieg wieder entglitt. »Euer Ehren, warum musste der Zeuge dann überhaupt eine Probe fälschen? Warum hat er nicht einfach eine der Ersatzproben aus dem Lager genommen?«
    »Die Antwort ist ja wohl offensichtlich«, erklärte Richterin Wagner. »Weil er seinen Fehler vertuschen wollte. Es kann aber auch sein, dass er gar nichts von den anderen Proben gewusst hat. Er wusste nur das, was ihm seine Vorgesetzten gesagt hatten. Vielleicht haben sie ihm nur die eine Fingernagelprobe gegeben und ihn ohne weitere Anleitung gebeten, sie zu

Weitere Kostenlose Bücher