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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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im Ofen gefunden, das du gekocht hast. Wo warst du? Andi?«
    Schließlich bemerkte Gene die Wut in Andis Gesicht. Als plötzlich Andis Hand auf sie zugeschossen kam, hielt sie sich instinktiv die Arme vors Gesicht und kniff die Augen zu. Aber was sie an ihrem Unterarm spürte war kein Fausthieb, sondern ein Blatt Papier. Sie machte die Augen wieder auf und sah, dass es sich um einen Umschlag handelte. Andi gab sich nicht die Mühe, ihn festzuhalten, sondern ließ ihn achtlos aus den Fingern gleiten. Aus einem Impuls heraus fing ihn Gene auf, bevor er auf dem Boden landete.
    »Du bist vorgeladen«, sagte Andi in kühlem Ton.
    Gene brauchte eine Weile, bis sie verstand, was hier vor sich ging. Sie warf Andi einen verwirrten Blick zu, aber ihre Freundin starrte sie nur durchdringend an. Also riss Gene den Umschlag auf und las die Vorladung. Sie wurde aufgefordert, sich am Montag, den 31. August, als Zeugin für den Prozess Kalifornien gegen Elias Claymore zur Verfügung zu halten.
    »Was ist das?«
    »Ich lade dich als Zeugin vor.«
    Andi hielt Genes fragendem Blick wütend stand. Sie hatten die Rollen getauscht.
    »Warum tust du das?«, fragte Gene.
    »Weil ich es meinem Mandanten schuldig bin.«
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer.
    Gene war klar, dass Andi nicht lange so stark bleiben konnte. Statt sich Gedanken um sich selbst zu machen, sorgte sie sich um Andi und sprang auf, um ihrer Freundin hinterherzurennen. Sie stieß gerade noch rechtzeitig die Haustür auf, um den Motor von Andis Auto aufheulen zu hören und hilflos mit anzusehen, wie es davonraste. Unsicher, wie es nun weitergehen sollte, trat Gene zurück ins Haus.

Samstag, 29. August 2009 – 01.20 Uhr
    Paul Greenberg saß vor der Computerkonsole und hielt einen Styroporbecher mit Kaffee in der einen Hand und einen Science-Fiction-Roman in der anderen. Eine seltsame Art, seinen vierundzwanzigsten Geburtstag zu feiern. Aber wenn man schon wie ein Computerfreak aussah, konnte man sich auch genauso gut wie einer benehmen. Außerdem bezahlte die Kommunalverwaltung von Ventura County ihren Systemadministratoren gutes Geld dafür, dass sie das Computernetzwerk des Ventura County Government Center beaufsichtigten und pflegten. In diesem Gebäude waren das Untersuchungsgefängnis, das Gericht, das kriminaltechnische Labor und der örtliche Ableger der nationalen DNA-Datenbank untergebracht.
    Während der Nachtschicht hielt sich die Arbeit zudem in Grenzen. Um kurz nach eins gab es für Greenberg so gut wie nichts mehr zu tun. Aber es musste eben rund um die Uhr ein Systemadministrator vor Ort sein, falls es Probleme gab. Das Netzwerk und seine peripheren Netzwerke mussten vierundzwanzig Stunden pro Tag reibungslos funktionieren.
    Als das schrille Klingeln des Telefons plötzlich die Stille unterbrach, wäre Greenberg vor Schreck beinahe vom Stuhl gefallen. Die Telefonzentrale des Government Center war rund um die Uhr besetzt, daher klingelte das Telefon nur, wenn jemand direkt bei ihm anrief.
    »IT-Abteilung.«
    »Hallo, könnte ich bitte mit Linda sprechen?«, fragte eine Frauenstimme, die seltsam warmherzig und verführerisch klang. Andererseits klangen in den Ohren eines Sonderlings wie Greenberg die meisten Frauenstimmen verführerisch.
    »Linda?«, wiederholte Greenberg.
    »Linda Black«, sagte die Frau.
    »Ich kenne keine Linda Black. Sind Sie sicher, dass sie Nachtschicht hat?«
    »Natürlich bin ich mir sicher.«
    Die Frau klang verärgert, und Greenberg beeilte sich zu sagen: »Vielleicht haben Sie ja die falsche Abteilung erwischt.«
    »Was meinen Sie mit Abteilung ?« Jetzt klang die Frau verunsichert. »Mit wem spreche ich bitte?«
    »Paul Greenberg. Ich bin der Systemadministrator.«
    »System was?«
    »Administrator.«
    Es fühlte sich gut an, ihr seine Berufsbezeichnung zu nennen. Plötzlich kam er sich vor wie der Einsatzleiter einer wichtigen Kommandozentrale. Er hoffte, dass die Frau sich angemessen beeindruckt zeigen würde.
    »Moment mal, ich bin also nicht bei Ritchie’s Pizza gelandet?«
    »Nein.« Greenberg amüsierte sich köstlich. »Sie sprechen mit dem California Government Center.«
    »Oh Gott, wie peinlich!«, sprudelte die Frau nervös hervor. »Sie müssen mich ja für vollkommen durchgeknallt halten.«
    »Kein Problem. Wir haben uns alle schon mal verwählt.«
    »Tut mir jedenfalls wahnsinnig leid, dass ich Sie gestört habe. Sie sind sicher total beschäftigt.«
    In der

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