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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
Vom Netzwerk:
Leitung herrschte betretenes Schweigen. Sie schien darauf zu warten, dass er etwas sagte.
    »Nein, nicht wirklich. Nachts ist es hier ziemlich langweilig. Es muss halt rund um die Uhr jemand hier sein, für den Fall, dass das Netzwerk abstürzt, aber benutzt wird das System eigentlich nur tagsüber.«
    »Was, Sie meinen ein Computernetzwerk?«
    »Genau«, antwortete Greenberg und genoss die Begeisterung in ihrer Stimme.
    »Ich verstehe nicht wirklich viel von Computern. Mein Ex-Freund hat mal versucht, es mir zu erklären, aber das war mir alles viel zu technisch.«
    Sie klang äußerst beeindruckt … und sie hatte Ex -Freund gesagt.
    »Na ja, im Computerbereich werden immer viel zu viele Fachausdrücke benutzt. Aber eigentlich ist alles total einfach und logisch.«
    »Oh, entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht … Ich heiße Barbie. Barbie Jackson.«
    »Paul Greenberg. Sie dürfen gern Paul und Du zu mir sagen.«
    »Danke. Und du kannst mich ruhig Barbie nennen. Was ist also deine genaue Aufgabe? Ich meine, was macht ein … wie hast du das genannt? Administrator?«
    »Systemadministrator.«
    »Ist das sozusagen eine Stufe höher als ein Programmierer?«
    Greenberg lächelte und freute sich darauf, seine Gesprächspartnerin über Computer aufzuklären. Sie klang jetzt schon so, als hätte sie Ehrfurcht vor seinen Fachkenntnissen. Vielleicht konnte er ja tatsächlich bei ihr landen?
    »So kann man das nicht sagen. Ich bin gleichzeitig auch noch Programmierer, aber nicht im Government Center. Hier bin ich für das System als Ganzes zuständig. Ich sorge für einen reibungslosen Ablauf, also dafür, dass alle Computer funktionieren, dass von allen Daten Sicherheitskopien angelegt werden und dass die Passwörter der Mitarbeiter sicher aufbewahrt werden.«
    »Du meinst, du kennst von allen Mitarbeitern die Passwörter? Die müssen dir ja wirklich vertrauen!«
    »Nein, aber wenn sie ihr Passwort vergessen, habe ich Zugriff auf ihre Dateien und kann ihnen ein neues Passwort zuteilen. Vertrauen tun sie mir trotzdem, glaube ich. Ich bin ein so genannter Superuser.«
    » Super user?«, wiederholte sie und ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. »Das klingt ganz schön sexy. Was bedeutet das?«
    Er lächelte und fühlte sich geschmeichelt. »Das bedeutet, dass ich ein User mit Sonderrechten bin.«
    »Aus deinem Mund klingt das wahnsinnig spannend.«
    Er sah sich im schwach beleuchteten Computerraum um und ließ den Blick durchs Fenster über die Lichter der Stadt und die Bucht schweifen. Ihm ging auf, dass sie eine illusorische Vorstellung von seiner Arbeit hatte, die in keinem Verhältnis zu seiner wirklichen Aufgabe stand. Es war Zeit, sie sanft auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
    »Ist es aber nicht, glaub mir. In Wirklichkeit ist es ziemlich langweilig.«
    »Oh!« Sie klang enttäuscht. »Ich dachte immer, dass so ein Netzwerkjob wahnsinnig aufregend ist. Ich meine, wie funktioniert das alles? Hast du dein eigenes privilegiertes User-Passwort oder wie?«
    »Genauso ist es. Ich habe ein Passwort, durch das mich der Computer als Superuser erkennt und mir Zugriff auf alle möglichen Bereiche gewährt, an die andere User nicht herankommen.«
    »Mein Ex-Freund hatte auch ein Passwort für seinen Computer. Aber ich kannte es natürlich.«
    Sie klang, als wäre sie nicht unbedingt die Hellste. Aber was machte das schon? Sie war amüsant und schien ihn zu mögen … zumindest am Telefon.
    »Und wie lautete sein Passwort?«
    »Es hatte vier Buchstaben«, sagte sie und kicherte.
    Jetzt war er sich endgültig sicher, dass sie keine geistige Überfliegerin war. Andererseits hatte sie einen gewissen naiven Charme, und er war ja auch gar nicht an ihrem Gehirn interessiert. In seiner Vorstellung war sie platinblond und hatte riesige Silikonbrüste und ein breites, gebärfreudiges Becken. Das war das Tolle am Telefonieren – man konnte sich seinen Gesprächspartner so vorstellen, wie man wollte.
    »So machen es viele Leute. Sie nehmen einfach ein anzügliches Wort mit vier Buchstaben als Passwort oder einen abwertenden Kommentar über ihren Chef.«
    »Du machst das bestimmt nicht so. Dafür klingst du viel zu intellektuell.«
    Es überraschte ihn, dass sie das Wort intellektuell überhaupt kannte. Es schien nicht zu ihrem sonstigen Vokabular zu passen, zumindest nicht zu dem, das sie bisher verwendet hatte. Aber er wusste ja gar nicht, wie sie sich sonst ausdrückte. Sie war nur eine Stimme am anderen Ende der

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