Späte Schuld
sind.«
»Was glaubst du, wie sie ausfallen?«
»Frag mich nicht. Alles ist möglich.«
Sie blickte ihn über den Tisch hinweg forschend an. »Du siehst nicht aus, als würdest du dich besonders wohlfühlen.«
»Warten ist nie schön«, gab er zu.
»Meinst du für uns oder für Claymore?«
Alex zuckte beschämt mit den Schultern. »Du hast ja recht. Hier sitzen wir und versinken im Selbstmitleid, dabei ist es Elias, dessen Schicksal auf dem Spiel steht.«
Als sie nach dem Essen gerade den Tisch abräumten und das Geschirr in die Spülmaschine stellten, klingelte es an der Tür. Alex linste durch den Spion und sah einen Mann in brauner Uniform vor sich. Er öffnete dem Kurier die Tür und bestätigte per Unterschrift den Empfang des Umschlags. Vor lauter Aufregung riss er ihn schon auf dem Weg ins Esszimmer auf.
»Die DNA-Ergebnisse?«, fragte Martine, die ihm auf dem Flur entgegenkam.
»Ja.«
Ungeduldig blätterte Alex zur entscheidenden zweiten Seite mit den Ergebnissen. Was er dort las, war nicht gerade eine frohe Botschaft.
Zu seiner großen Ernüchterung konstatierte der Laborbericht, dass das Y-STR-Profil der Probe, die die Bezeichnung »Ref. Elias Claymore« trug, mit dem Profil der Fingernagelprobe übereinstimmte und es keine Ausschlüsse gab. Was noch lange nicht hieß, dass Claymore schuldig war, schließlich stimmte das Profil jedes 500. Afroamerikaners mit der Fingernagelprobe überein, was im Laborbericht noch einmal bestätigt wurde. Aber nach der Hoffnung, die Steven Johnsons Beichte in ihnen allen geweckt hatte, war es eine bittere Enttäuschung.
Alex überlegte, ob er den Befund anfechten konnte. Im Prinzip hatte die Anklage ihre Beweisführung bereits abgeschlossen, und er könnte argumentieren, dass nur dann nachträgliches Beweismaterial eingeführt werden durfte, wenn es bereits vorgelegte Beweise der Gegenseite entkräftete. Aber die Verteidigung hatte nichts ins Spiel gebracht, was wider-
legt werden konnte. Andi und er hatten keine Beweise dafür geliefert, dass die DNA nicht von Elias Claymore stammte.
Sie hatten lediglich die Beweise angezweifelt, die behaupteten, sie stamme von ihm.
Gleich am Montag früh würde er daher beantragen, dass die neuen DNA-Ergebnisse als Beweis ausgeschlossen wurden. Falls die Richterin dem Antrag stattgab, würde Sarah Jensen sicher versuchen, auf Ungültigkeit des Verfahrens zu plädieren, um gleich im Anschluss eine Wiederaufnahme zu beantragen.
Er würde damit kontern, dass es keinen Grund gebe, den Prozess für ungültig zu erklären, da keine Verfahrensfehler aufgetreten seien. Die Anklagevertretung habe lediglich fehlerhafte Beweise vorgelegt, die angezweifelt worden seien, würde er weiter ins Feld führen. Wenn die Staatsanwaltschaft schlampig mit ihren Beweisen umging, musste sie auch mit den Konsequenzen leben.
Aber dann fiel Alex eine weitere Zeile im Laborbericht auf: »Aufgrund des Abgleichs können weder Elias Claymore noch Louis Manning als Verdächtige ausgeschlossen werden.« Hastig blätterte er zur Vergleichstabelle zurück. Er war so darauf konzentriert gewesen, Elias Claymores Profil mit dem Profil der Fingernagelprobe zu vergleichen, dass er den zusätzlichen Namen gar nicht bemerkt hatte. Unter »Ref. Elias Claymore« befand sich nämlich eine weitere Zeile mit dem Titel »Ref. Louis Manning«. Und die Anzahl der Wiederholungen in dieser Zeile stimmte ebenfalls mit der der Fingernagelprobe überein.
Die geschätzte Häufigkeit des Profils wurde bei europäischstämmigen Amerikanern mit 1 zu 4 000 angegeben, bei Schwarzen mit 1 zu 500 und bei Hispanos mit 1 zu 6 500.
Es gab also einen zweiten Verdächtigen. Aber wer war dieser Louis Manning? Und warum kam Alex der Name so bekannt vor? Im ersten Laborbericht war er jedenfalls noch nicht erwähnt worden. Vielleicht war die Polizei erst in der Zwischenzeit auf ihn aufmerksam geworden. Aber warum hatte man Alex nicht darüber informiert?
»Was ist los?«, fragte Martine, der sein nachdenklicher Gesichtsausdruck nicht entgangen war.
»Es gibt noch einen Verdächtigen. Und dessen Profil stimmt ebenfalls mit der Fingernagelprobe überein.«
»Zeig her«, sagte sie und schnappte sich den Laborbericht. »Oh mein Gott!«, platzte sie heraus.
»Was?«
»Der Verdächtige ist Louis Manning.«
»Kam mir auch irgendwie bekannt vor …«
»Als Anwalt könntest du wirklich ein bisschen mehr auf Details achten! Das ist der Mann, der versucht hat, mich zu vergewaltigen!«
Sonntag,
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