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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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registriert und dadurch auch berechtigt, als Geschworener zu dienen.«
    Alex schüttelte den Kopf, weil er Mühe hatte, das alles zu verarbeiten. »Gut, noch mal von vorn: Wie werden Geschworene ausgewählt?«
    »Das hatten wir doch jetzt schon mehrfach: aus Wählerlisten, Autozulassungs- und Führerscheinregistern, und ich glaube auch aus Grundsteuerunterlagen.«
    »Nein, ich meine, wie wird die eigentliche Auswahl getroffen, sobald die Namenslisten vorliegen?«
    »Das macht heutzutage ein Computer.«
    »Und wie geht der Computer dabei vor?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, nach welchen Kriterien trifft der Computer seine Wahl?«
    »Nach dem Zufallsprinzip! Das ist doch Sinn und Zweck der Sache.«
    »Weiß ich«, entgegnete Alex, »aber wie trifft ein derart plangesteuertes Gerät eine zufällige Entscheidung?«
    »Okay, angenommen das Gericht braucht 200 potenzielle Geschworene und es gibt 50 000 dafür in Frage kommende Personen in dem betreffenden Bezirk«, erklärte Andi. »Dann teilt der Computer zunächst 50 000 durch 200 und erhält 250. Das bedeutet, dass eine von 250 Personen in dem Bezirk vorgeladen werden muss. Also wählt der Computer jeden 250. Namen auf der Liste aus.«
    »Das ist alles?«
    »Na ja, nicht ganz. Wenn sich der Computer darauf beschränken würde, wäre es keine zufällige Wahl. Also handelt er nach dem ›zufälligen Startprinzip‹.«
    »Zufälligen Startprinzip?«, wiederholte Alex fragend.
    »Ja. Das bedeutet, dass der Computer eine zufällige Zahl zwischen 1 und 249 wählt und diese Zahl dann als ersten Namen auf der Liste nimmt. Angenommen die zufällig gewählte Zahl ist 187. Der Computer wählt also zuerst die 187. Person auf der Liste und danach jede 250. Person, bis er am Ende der Liste angekommen ist.«
    »Und dadurch ist die Wahl zufällig?«
    »Angeblich ja.«
    »Also gut«, sagte Alex. »Aber wie ermittelt der Computer diese zufällige Zahl am Anfang?«
    »Mithilfe der Tastatur-Reaktionszeit.«
    Alex sah sie verständnislos an.
    »Damit ist die Geschwindigkeit gemeint, mit der eine Person auf der Tastatur tippt. Die Software verlangt von der Person am Computer, dass sie wahllos etwas auf der Tastatur tippt. Welche Tasten das genau sind, ignoriert die Software, weil das unter Umständen kein Zufall ist. Aber sie misst die Zeit – oder vielmehr die Mikrosekunden – zwischen den einzelnen Anschlägen.«
    »Verstehe.«
    »Die Software nimmt allerdings nicht die ganze Zahl, sondern nur das so genannte niederwertigste Bit, also die letzte Kommastelle der Mikrosekundenzahl – da geht es um Millionstelsekunden. Die Software erfasst dieses niederwertigste Bit von mehreren Anschlägen und benutzt die auf diese Weise zufällig entstehende Zahlenreihe als Initialisierung des Zufallsalgorithmus, der dann eine Zahl zwischen – in diesem Fall – eins und zweihundertfünfzig errechnet.« Andi hielt inne, um Luft zu holen.
    »Aber nichts davon erklärt, warum Schwarze unterrepräsentiert sind«, sagte Alex.
    »Genau darauf will ich hinaus. Wenn die Software arbeitet, wie sie soll, dürfte es keine Unterrepräsentierung geben. Aber in allen Statistiken, die ich mir angesehen habe, gibt es sie trotzdem. Und das bedeutet, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.«
    »Aber was?«
    »Ich weiß es nicht. Die Richterin wollte kausale oder statistische Beweise sehen. Das hier sind eindeutig statistische Beweise!«
    »Ich glaube nicht, dass das reicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil sie den Einwand schon einmal abgewiesen hat und es auch ein zweites Mal tun wird.«
    »Aber da ging es nur um einen Auswahlpool. Jetzt sprechen wir von Bezirken in ganz Kalifornien und einem Zeitraum von fünf Jahren.«
    »Das erschwert uns die Sache sogar noch.«
    Andi war überrascht. »Wieso?«
    »Weil dadurch jede Entscheidung, die die Richterin trifft, Auswirkungen auf Tausende andere Fälle hat. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich so viel Verantwortung auflädt. Lieber wird sie die Entscheidung dem Berufungsgericht überlassen, als den eigenen Kopf dafür hinzuhalten.«
    »Und was sollen wir jetzt tun? Es einfach unter den Tisch kehren, als wäre es uns nie aufgefallen?«
    »Nein, aber wir müssen unsere Argumente gut unterfüttern.«
    »Und wie?«
    »Indem wir auch kausale Beweise für diese Statistiken finden.«
    »Und wie wollen wir das anstellen?«
    »Ich hatte gehofft, dass Sie mir das sagen können.«
    Andi überlegte angestrengt. »Vielleicht, indem wir einen Fehler in der

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