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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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im Auswahlpool festgestellt und musste darauf reagieren.«
    »Ohne meine Erlaubnis müssen Sie überhaupt nichts tun!«
    »Wenn ich unseren Einwand nicht vor Vernehmung der Geschworenen zu Protokoll gebracht hätte, hätten wir später nicht deswegen in Berufung gehen können.«
    » Unseren Einwand? Hätten wir nicht in Berufung gehen können? Lassen Sie mich eines klarstellen, Andi: Es gibt hier kein Wir und kein Unser . Sie sind nicht im Gerichtssaal, um irgendwelche Einwände durchzufechten, das ist meine Aufgabe. Sie sind hier, um eine weibliche Note beizusteuern.«
    »Sie ignorieren das Problem. Wenn ich nicht den Mund aufgemacht hätte, wären wir später gelackmeiert gewesen.«
    »Das ist doch totaler Schwachsinn! Wir hätten sagen können, dass es uns am Anfang nicht aufgefallen ist.«
    »Nicht aufgefallen? Das springt einem doch regelrecht ins Gesicht! Und falls es Ihnen nicht aufgefallen ist, bis ich Sie darauf hingewiesen habe, müssen Sie blind sein!«
    »Hören Sie, ich glaube, ich habe mich nicht deutlich genug ausgedrückt. Sie tun hier vor Gericht nichts, ohne dass ich es Ihnen sage.«
    »Ich hatte Ihnen das Problem doch im Vorfeld geschildert, aber Sie haben mich einfach ignoriert.«
    Inzwischen war Alex kurz davor, Andi anzubrüllen, was gar nicht zu ihm passte. »Und Sie halten es für eine gute Taktik, sich in Anwesenheit der Personen, die später die Jury bilden, hinzustellen und zu sagen: ›Ich will diese Leute nicht, die sind voreingenommen‹? Lassen Sie es sich ein für alle Mal gesagt sein: Ich sitze hier am Steuer. Und Sie sind nur Beifahrerin. Haben wir uns verstanden?«
    »Ich dachte, Sie wollten meine Hilfe.« Ihre Stimme klang matt, die ganze Selbstsicherheit war daraus verschwunden.
    »Ich weiß ja, dass Sie nur versucht haben zu helfen«, sagte er etwas leiser. »Aber wenn Sie mit mir zusammenarbeiten wollen, müssen Sie sich an meinen Schlachtplan halten. Ich habe Sie für diesen Job ausgesucht, weil Sie gut aussehen und weil Claymore harmlos wirkt, wenn er neben Ihnen sitzt.«
    »Und ich habe Ihnen neulich schon gesagt, dass ich keine Prostituierte bin.«
    Alex verlor allmählich die Geduld. »Das haben wir doch alles bereits durchgekaut!«
    Wütend und frustriert stürmte Andi davon.

Montag, 17. August 2009 – 17.30 Uhr
    Sie hatten die Vernehmung der Geschworenen schließlich gegen 16.45 Uhr beendet, ohne dass Anklage oder Verteidigung alle ihnen zur Verfügung stehenden unbegründeten Ablehnungen ausgenutzt hätten. Richterin Wagner hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Sitzung notfalls bis in den Abend hinein verlängern würde, und bei dieser Aussicht hatte unter den Beteiligten eine Art Erschöpfungszustand eingesetzt, der sie weniger unerbittlich machte, kompromissbereiter. Ellen Wagner war stolz darauf, dass sie ein größeres Durchhaltevermögen besaß als diese »jungen Hüpfer«, und der heutige Tag bildete keine Ausnahme.
    Infolgedessen hatten sie sich schließlich auf zwölf Geschworene geeinigt, mit denen alle leben konnten, auch wenn die Verteidigung nicht ganz zufrieden war. Andi hatte eigentlich vermeiden wollen, dass sie ihre unbegründeten Ablehnungen nicht voll ausschöpften. Bisherige Fälle zeigten nämlich, dass dadurch die Erfolgsaussichten einer späteren Berufung geschmälert wurden. Aber sie wollte genauso wenig erneut Alex’ Ärger auf sich ziehen. Außerdem war sie zuversichtlich, dass die Gründe für ihren Einwand gegen den gesamten Auswahlpool nicht unter bereits existierendes Präzedenzrecht fielen.
    Nach Auswahl des letzten Geschworenen beschloss die Richterin, die Sitzung zu vertagen und die Vereidigung auf den nächsten Tag zu verschieben. Also kehrten Alex und Andi in die Kanzlei zurück, um ein paar Schreibarbeiten zu erledigen. Die Anspannung zwischen ihnen war noch nicht gänzlich verschwunden.
    Im Embarcadero Center, nutzte Andi sofort die Gelegenheit, sich die demographische Zusammensetzung früherer Jurys anzusehen. Alex hatte ihr das Besprechungszimmer für die Dauer des Prozesses als provisorisches Büro überlassen, und jetzt hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil Alex’ eigenes Büro deutlich kleiner war und keine Fenster hatte, geschweige denn eine atemberaubende Aussicht auf die Bay. Juanita, deren Schreibtisch sich im Empfangsbereich der Kanzlei befand, hatte ihr im Vertrauen mitgeteilt, dass dieses Zimmer früher von einem Rechtsreferendar genutzt worden war, mit dem Alex schmerzhafte Erinnerungen verknüpfte.
    Auf

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