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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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weshalb sie dessen Auflösung beantrage.«
    Der junge Mann lächelte ironisch. Er war überrascht gewesen, als er von Andi Phoenix und ihrer Beziehung zu der Frau erfahren hatte, die im Krisenzentrum für Vergewaltigungsopfer arbeitete. Reiner Zufall natürlich. Aber ein amüsanter Zufall.
    »Die Richterin wies den Antrag nach einer erhitzten Debatte zurück, die ihren Höhepunkt in einem kurzen Vieraugengespräch vor der Richterbank fand.«
    Er überlegte, ob er sich den nächsten Prozesstag vom Zuschauerbereich des Gerichtssaals aus ansehen sollte. Aber das war vielleicht doch ein wenig riskant. Ein Aspekt an dem Fall machte ihn besonders neugierig: In einem Internetforum hatte er von dem Gerücht erfahren, dass die Reporterin der Nachrichtensendung mit Alex Sedaka zusammen war.

Montag, 17. August 2009 – 18.20 Uhr
    Alex las gerade seine Notizen zu den ausgewählten Geschworenen durch, als er ein Klopfen an der Tür hörte.
    »Herein«, sagte er, ohne aufzublicken.
    Die Tür wurde förmlich aufgerissen, und dann kam Andi mit einem Computerausdruck ins Zimmer gestürzt. Sie war außerstande, die Erregung auf ihrem Gesicht zu verbergen.
    »Ich hab hier etwas, was Sie vom Hocker hauen wird!«
    Mehr wegen ihrer Tonlage als wegen ihrer Worte hob Alex den Kopf. »Ich bin ganz Ohr.«
    »Es geht um die geringe Anzahl afroamerikanischer Geschworener.«
    »Sie hängen doch nicht immer noch an diesem Thema fest?«
    »Ich habe etwas entdeckt!« Andi bebte regelrecht vor Aufregung.
    Alex’ Gesichtsausdruck blieb skeptisch, aber er legte den Stift beiseite, um ihr zu zeigen, dass sie seine volle Aufmerksamkeit genoss. »Und was?«
    »Ich habe die Zusammensetzung von Jurys in ganz Kalifornien überprüft, und zwar über die letzten fünf Jahre. Und wissen Sie was? Das Muster taucht häufiger auf. Schwarze sind in den Auswahlpools vieler Bezirke unterrepräsentiert, nicht nur in Alameda.«
    Alex dachte einen Moment über das Gehörte nach. »Und was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, dass Schwarze bei der Geschworenenauswahl in statistisch bedeutsamem Umfang vernachlässigt werden, und zwar in vielen Bezirken. Ich kann Ihnen Diagramme zeigen, die das beweisen.«
    »Moment mal, nicht so schnell. Für die geringe Anzahl an Schwarzen könnten ganz banale Faktoren verantwortlich sein.«
    »Welche zum Beispiel?«, fragte Andi herausfordernd.
    »Zum Beispiel sind unverhältnismäßig viele Schwarze in Strafanstalten und Gefängnissen inhaftiert – ob zu Recht oder zu Unrecht. Und Häftlinge stehen als Wähler nun mal nicht zur Verfügung.«
    Andi schüttelte den Kopf. »Diese Zahlen liegen mir vor, und ich habe sie mithilfe der Statistiksoftware bereits berücksichtigt.«
    »Was heißt berücksichtigt?«
    »Mit einberechnet. Die Abweichung blieb aber auch nach Einkalkulierung dieses Faktors bestehen. Ich habe die Wählerlisten und die Daten vom Statistikamt vorliegen.«
    »Mit diesen Daten müssen Sie vorsichtig sein, das wissen Sie hoffentlich. In den Wählerlisten fehlen zwar Häftlinge, die für Gewaltverbrechen einsitzen, aber Personen, die wegen geringfügiger Vergehen inhaftiert sind, dürfen nach wie vor wählen. Ein Geschworenenamt können sie allerdings nicht bekleiden.«
    Andi verschränkte die Arme und runzelte missbilligend die Stirn. »Ein Mindestmaß an gesundem Menschenverstand könnten Sie mir schon zubilligen. Das habe ich alles bereits berücksichtigt. Trotzdem bleibt das Muster dasselbe.«
    »Muster?«
    »Die Höhe der Abweichungen ist natürlich nicht gleich geblieben, sondern geschrumpft, nachdem ich alle diese Faktoren mit einkalkuliert hatte. Aber es bleibt eine statistisch signifikante Diskrepanz bestehen.«
    »Was im Klartext bedeutet, dass die Abweichung zu groß ist, um sie dem …«
    »Zufall zuzuschreiben? So ist es.«
    »Okay, aber Sie gehen von der Annahme aus, dass die Rekrutierung von Geschworenen mithilfe des Führerscheinregisters ausreicht, um die Lücke zu schließen, die durch die Unterrepräsentierung von Schwarzen in den Wählerlisten entsteht. Aber nicht jeder fährt Auto. Manche Leute benutzen öffentliche Verkehrsmittel.«
    »Die Kraftfahrzeugbehörde stellt nicht nur Führerscheine, sondern auch Personalausweise aus.«
    »Aber nur auf speziellen Antrag.«
    »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt! Es gibt in ganz Kalifornien keinen Achtzehnjährigen, der nicht scharf auf Alkohol und Zigaretten wäre. Und sobald ein junger Mensch seinen Ausweis hat, ist er bei der Kraftfahrzeugbehörde

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