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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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nicht zuzulassen, dass andere ihn in Ihrer Anwesenheit diskutieren. Die Sitzung ist hiermit vertagt.«
    Der Gerichtssaal erhob sich, als die Richterin den Saal verließ. Eines war Andi im Gedächtnis haften geblieben: Als Alex gefragt hatte, ob Bethel Newton ein Mitglied der Verteidigung kontaktiert hatte, hatte die Zeugin zutiefst erschrocken ausgesehen.

Dienstag, 18. August 2009 – 17.15 Uhr
    Draußen schloss Alex zu Andi auf. »Ich will alles über diese anonymen E-Mails wissen – inklusive den Grund dafür, dass Sie mir erst jetzt davon erzählt haben.«
    »Ich habe zwei E-Mails bekommen. Die eine direkt nachdem ich mich bereit erklärt hatte, Claymores Verteidigung zu übernehmen. Und die zweite kam im Anschluss an meine Ablehnung des Auswahlpools.«
    »Und was stand drin?«
    »Wie gesagt, der Inhalt war ziemlich beleidigend. Ich kann es nicht Wort für Wort wiedergeben, aber ich habe die E-Mails gespeichert und kann sie Ihnen gerne zeigen, wenn wir zurück in der Kanzlei sind.«
    »Sie haben vorhin erwähnt, dass der Verfasser intime Details kannte, die nicht einmal das Opfer wissen kann.«
    Ihr fiel auf, dass er »Opfer« gesagt hatte und nicht »mutmaßliches Opfer«. So nachlässig wäre er im Gerichtssaal nie gewesen.
    »Wer auch immer die E-Mails geschickt hat, scheint von unseren vertraulichen Gesprächen zu wissen.« Sie beobachtete ihn aufmerksam, während sie das sagte.
    »Was meinen Sie mit ›unseren‹ vertraulichen Gesprächen?«
    »Gespräche zwischen Ihnen und mir. Die Person weiß Dinge, die zur Sprache kamen, während Sie und ich miteinander allein waren.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, dass Sie mich im Grunde erpresst haben, um mich zur Mitarbeit an diesem Fall zu bewegen.«
    »Ich habe Sie nicht erpresst …«
    »So hat es der Verfasser der E-Mail aber ausgedrückt.«
    »Und was hat er noch geschrieben?«
    »Dass ich dem Druck, den Sie auf mich ausgeübt haben, hätte standhalten müssen, dass ich eine ›Hure‹ sei und Claymore ein ›elender Nigger‹.«
    »Und die E-Mail war anonym?«
    »Mehr oder weniger. Sie war mit ›Lannosea‹ unterschrieben.«
    »Sagt Ihnen das irgendetwas?«
    »Gar nichts.«
    »Haben Sie es nachgeschlagen?«
    »Auf Wikipedia, Yahoo und Google. Anscheinend war Lannosea eine Tochter der alten britannischen Königin Boudicca.«
    »Ich vermute, Sie haben auch nachgeprüft, ob es noch andere Personen mit diesem Namen gibt?«
    »Es gab insgesamt nur vier Suchergebnisse: zwei aus dem Ausland, ein unbrauchbares und eins, das mich auf die Königin gebracht hat.«
    »Alternative Schreibweisen?«
    »Jede Menge, aber hauptsächlich auf ausländischen Internetseiten.«
    »Haben Sie die E-Mails zurückverfolgt und herausgefunden, von wo sie abgeschickt wurden?«
    »Von einem Webmail-Account.«
    »Mein Sohn sagt, dass man solche E-Mails trotzdem über den Message Header zurückverfolgen kann.«
    »Ja, aber jemand, der solche Nachrichten verschickt, benutzt dafür sehr wahrscheinlich einen öffentlichen Computer, zum Beispiel in einer Bibliothek oder einem Internetcafé.«
    »Manchmal sind solche Orte videoüberwacht.«
    »Dann müssten wir die Betreiber aber überzeugen, dass es wichtig ist und sie die Bänder herausrücken sollen. Und dazu müssten wir wiederum die Behörden einschalten. Dabei wissen wir bisher noch nicht einmal, in welchem Landdie E-Mails abgeschickt wurden.«
    »Gut, dann warten wir erst einmal ab.«
    »Was ich nicht verstehe, ist, wie derjenige von meinen Privatgesprächen wissen kann.«
    Alex sah sie skeptisch an. »Sie glauben doch nicht wirklich, dass die Kanzlei verwanzt ist?«
    »Es mag ja verrückt klingen, Alex, aber irgendeine Erklärung muss es doch geben.«
    Alex lächelte spöttisch. »Tja, wenn das so ist, teile ich Ihnen meinen Beschluss besser mit, bevor wir wieder in der Kanzlei sind.«
    »Was für einen Beschluss?« Alex’ Tonfall verhieß nichts Gutes.
    » Sie führen morgen das Kreuzverhör.«

Mittwoch, 19. August 2009 – 09.10 Uhr
    Jerry Cole hatte es nie wirklich zu etwas gebracht im Leben. Mit seinen vierzig Jahren war er eine unauffällige Erscheinung: schmächtig, durchschnittlich groß, Stirnglatze. Die wenigen verbliebenen Haare kämmte er mit Pomade nach hinten, nicht im Fünfzigerjahre-Stil, sondern wie jemand, der zu faul ist, seine Haare auf andere Art zu bändigen.
    Er arbeitete schon sein halbes Leben im kriminaltechnischen Labor von Ventura County und wohnte trotzdem nur zur Miete. Er besaß kein Auto und hatte

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