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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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gehabt, überhaupt nicht geschlafen zu haben.
    Nachdem sie die Sitzung für eröffnet erklärt hatte, blickte die Richterin zum Verteidigertisch und forderte Alex auf, mit dem Kreuzverhör zu beginnen.
    Andi stand auf. »Euer Ehren, ich übernehme das Kreuzverhör von Miss Newton.«
    Claymore versteifte sich sichtlich, und Andi erkannte, dass Alex ihm nichts von seiner Planänderung gesagt hatte.
    Sarah Jensen erhob sich empört von ihrem Stuhl. »Einspruch, Euer Ehren. Mr Sedaka hat gestern bereits mit dem Kreuzverhör begonnen. Falls es keinen triftigen Grund gibt, der dagegen spricht, sollte er es auch fortsetzen.«
    Andi wusste genau, warum Sarah Jensen Einspruch erhob. Wenn ein Mann ein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer befragte, löste das automatisch Mitgefühl mit dem Opfer aus, egal wie einfühlsam er dabei vorging. Wohingegen ein von einer Frau – zumal einer attraktiven – durchgeführtes Kreuzverhör auch ein paar bohrende, vielleicht sogar aggressive Fragen zuließ.
    Richterin Wagner zögerte einen Moment. »Ich lasse die Befragung durch Mrs Phoenix zu. Das Kreuzverhör wurde gestern noch nicht richtig begonnen. Außerdem hat der Angeklagte ein Recht darauf, dass seine Anwälte die Verteidigung so gestalten, wie sie es für richtig halten.«
    Sarah Jensen setzte sich missmutig wieder hin. Andi warf ihr einen verständnisvollen Blick zu und richtete ihre Aufmerksamkeit dann auf Bethel Newton.
    »Miss Newton, gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie den Mann, in dessen Auto Sie gestiegen sind, nicht kann-ten?«
    »Ja.«
    »Mit anderen Worten: Sie sind in das Auto eines Fremden gestiegen?«
    »Ja.«
    »Waren Sie sich der Gefahr, in die Sie sich dadurch gebracht haben, denn nicht bewusst?«
    »Ich weiß, dass es riskant ist, per Anhalter zu fahren. Aber ich hatte keine andere Wahl.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass er Sie gezwungen hat, in sein Auto zu steigen?«
    »Nein, aber mein eigenes Auto hatte eine Panne, und mein Handy hat nicht funktioniert. Der Akku war leer …«
    Andi verzog keine Miene. Sie zwang Bethel, ihre Antworten näher auszuführen.
    »Aber Ihnen war klar, dass es gefährlich sein kann, in das Auto eines Unbekannten zu steigen?«
    »Ja.«
    »Ich gehe natürlich davon aus, dass Sie das, was später passiert ist, nicht von Anfang an im Sinn hatten?«
    »Einspruch«, ging Sarah Jensen dazwischen.
    »Stattgegeben. Die Verteidigung wird in Zukunft davon absehen, ihre Fragen unnötig auszuschmücken, und die Geschworenen ignorieren bitte die letzte Bemerkung.« Richterin Wagner wandte sich an Andi: »Mrs Phoenix, wenn Sie wollen, können Sie den ersten Teil der Frage wiederholen oder umformulieren.«
    »Miss Newton, wenn Sie keine sexuelle Interaktion mit dem Fahrer des Autos wollten, wäre es dann nicht schlauer gewesen, gar nicht erst in sein Auto zu steigen?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    »Sie sind aber in das Auto eingestiegen?«
    »Ich habe nicht darüber nachgedacht.«
    »Würden Sie mir nicht dennoch zustimmen, wenn ich sagen würde, dass Sie weniger Angst vor den Konsequenzen demonstriert haben als andere Frauen?«
    »Einspruch!«
    Wieder war Sarah Jensen aufgesprungen. Andi versuchte, ihre Rechtfertigung in ruhigem Ton vorzubringen: »Euer Ehren, darf ich diesbezüglich ein Urteil von Richter Compton vom Kalifornischen Berufungsgericht in L.A. zitieren? ›Unter solchen Umständen ist es nicht abwegig, dass ein Mann wie der vor uns sitzende Angeklagte auf die Idee kommt, die Frau würde dem Geschlechtsverkehr zustimmen.‹«
    »Euer Ehren, die Verteidigerin hat wohl vergessen, dass Richter Compton damit nur solche Situationen meinte, in denen keine Notlage vorliegt. Bethel Newton hatte aber mitten im Nirgendwo eine Autopanne. Im Compton-Fall wurde die Anklage gegen den Vergewaltiger offiziell übrigens wegen eines Formfehlers fallengelassen: Der erstinstanzliche Richter hatte die Geschworenen nicht darauf hingewiesen, dass sie die frühere Verurteilung des Angeklagten für ein Sexualdelikt in ihrem Urteil nicht berücksichtigen durften.«
    Richterin Wagner nickte. »Ich glaube, es wurde auch darauf hingewiesen, dass homosexuelle und heterosexuelle Vergewaltigung von Fahrern und Anhaltern erlaubt wäre, wenn man das Urteil wirklich konsequent anwenden würde.«
    Andi war peinlich berührt. Sie war übers Ziel hinausgeschossen, und Alex sah sie mit unverhohlenem Ärger an.
    Die Richterin fuhr fort: »Ich weise die Geschworenen von Rechts wegen darauf hin, dass man allein dadurch,

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