Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
Vom Netzwerk:
es spätestens seit Wer die Nachtigall stört nicht mehr. Ersetzt wurde es durch ein anderes Stereotyp, das nicht weniger schädlich ist: das der Lügnerin, die am Vorabend noch bereitwillig mit einem Mann schläft und am nächsten Tag laut Vergewaltigung schreit.«

Mittwoch, 19. August 2009 – 13.05 Uhr
    »Der Prozess gegen Elias Claymore hat heute, am dritten Prozesstag, einen entscheidenden Wendepunkt erreicht, als das angebliche Vergewaltigungsopfer Bethel Newton von der zweiten Anwältin der Verteidigung, Andromeda Phoenix, einem zermürbenden Kreuzverhör unterzogen wurde.«
    Martine Yin lieferte vor einer Fernsehkamera ihren Bericht ab, während hinter ihr eine Gruppe Frauen vor dem Gerichtsgebäude demonstrierte und lautstark Gerechtigkeit für Vergewaltigungsopfer einforderte.
    »Das Kreuzverhör sollte sich ursprünglich über mehrere Tage erstrecken, scheint nun jedoch von der Verteidigung abgebrochen worden zu sein, um nicht noch mehr Mitgefühl für das mutmaßliche Opfer zu erzeugen.«
    Andi saß an ihrem Schreibtisch in Alex Sedakas Kanzlei und sah sich den Bericht im Internet an, als es plötzlich an der Tür klopfte.
    »Herein!«, rief sie, ohne aufzublicken.
    Die Tür ging auf, und Juanita betrat mit zwei eisgekühlten Dosen Cola light den Raum.
    »Hallo, Juanita.«
    »Wie läuft es so?«, fragte Juanita, zog sich einen Stuhl heran und riss mit einem Ruck den Metallring von ihrer Coladose.
    »Ganz okay. Ich mühe mich immer noch mit den demographischen Daten und den Jury-Statistiken ab.«
    »Ich dachte, das hätten Sie erst einmal beiseitegelegt?«
    »Das wäre Alex wohl lieber. Er glaubt, dass wir der Anklage mit altmodischen Verteidigungsmethoden beikommen. Ich bin mir da nicht so sicher. Außerdem ist an der Sache irgendetwas faul, und ich würde gerne wissen, was.«
    Andis Besessenheit rührte teilweise von dem Gefühl her, dass jemand heimlich gegen sie arbeitete. Als sie am ersten Prozesstag den Gerichtssaal betreten und den Geschworenenpool gesehen hatte, schienen all ihre Bemühungen, durch Analyse der Bevölkerungszusammensetzung den besten Bezirk zu finden, umsonst gewesen zu sein. Hinzu kamen die unflätigen E-Mails, die gleichzeitig Wut und Angst in ihr auslösten. Irgendwo lauerte ein Feind, der sie aufzuhalten versuchte – und sie war fest entschlossen, diesem Feind die Stirn zu bieten.
    »Was genau hoffen Sie denn zu finden?«, wollte Juanita wissen.
    »Na ja, in erster Linie möchte ich herausfinden, ob nicht doch eine ganz normale Erklärung für die Abweichungen verantwortlich ist. Aber je genauer ich mir die Statistiken der letzten fünf Jahre ansehe, desto deutlich wird, dass es keine gibt.«
    »Vielleicht sind Sie nur nicht auf die richtige Erklärung gekommen.«
    »Welche denn zum Beispiel?«
    Juanita zuckte mit den Schultern und lächelte Andi verlegen an. »Irgendetwas, worauf Sie eben noch nicht gekommen sind. Wenn Sie oder ich es bereits wüssten, würden wir dieses Gespräch doch gar nicht führen.«
    »Na großartig«, kommentierte Andi Juanitas schrägen Humor.
    »Was hat David gesagt, als Sie ihn angerufen haben?«
    »David? Ach ja, Alex’ Sohn. Er konnte sich an einen Prozess in Kent County, Michigan, erinnern, bei dem vor ein paar Jahren ein Softwarefehler zutage trat, der achtzehn Monate unentdeckt geblieben war. Die Software hat einfach die höheren Postleitzahlen ausgeschlossen – und das waren zufällig die Gegenden mit schwarzen Einwohnern.«
    »Und wie ist der Prozess ausgegangen?«
    »Ich habe mir die Unterlagen angesehen. Offenbar kam die Geschworenenkommission zu der Entscheidung, dass der Fehler unbeabsichtigt war. Somit hatte der Fall keinerlei Auswirkungen auf bereits gefällte Urteile. Aber ich habe ausführlich im Internet recherchiert und herausgefunden, dass in der Gegend um Grand Rapids ebenfalls Probleme mit der Repräsentation ethnischer Minderheiten in Jurys aufgetreten sind. Dort hat man verschiedene Ursachen gefunden: Zum einen wurden bei schwarzen Kandidaten weniger strenge Richtlinien für den Rücktritt vom Geschworenenamt angesetzt als bei weißen Kandidaten, und zum anderen gab es Unklarheiten bezüglich der Gerichtssäle, in denen die Geschworenen erscheinen sollten.«
    »Könnte das nicht auch in Alameda der Fall gewesen sein?«
    »Nun, zunächst mal geht es ja nicht nur um Alameda, sondern auch um eine ganze Menge andere Bezirke in Kalifornien. Ich hatte noch keine Zeit, mir alle anzusehen, aber ich würde sagen, dass etwa ein

Weitere Kostenlose Bücher