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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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natürlich recht, dass diese Erklärung nicht sehr plausibel ist. Vielleicht hat sich jemand von außen in die Gerichtscomputer gehackt?«
    Während sie im Dämmerlicht der unteren Brückenetage dahinfuhren und über sich den dichten Verkehr in die andere Richtung donnern hörten, grübelte Juanita über diese Möglichkeit nach.
    »Wäre das nicht ziemlich schwierig?«, fragte sie. »Ich meine, die haben doch Firewalls und so.«
    »Natürlich. Wenn es einfach wäre, würde es ja jeder machen. Der Hacker müsste also nicht nur die Software modifizieren, sondern sie auch an der Firewall vorbeischleusen – was vermutlich der schwierigere Teil ist. Firewalls sind heutzutage ziemlich ausgereift. Ein guter Server lässt nur Zugriffe mit Superuser-Befugnissen zu, die er selbst erteilt hat.«
    »Also würde er eine Remote-Installation automatisch blockieren?«
    »Genau.«
    »Da ist noch etwas, was ich nicht verstehe«, sagte Juanita. »Falls jemand die Software manipuliert hat – oder sie tatsächlich fehlerhaft ist –, warum hat das dann bis heute niemand bemerkt?«
    »Ich habe es doch auch nur bemerkt, weil in einem ziemlich großen Auswahlpool zu wenig Afroamerikaner saßen. Normalerweise sind die Pools, aus denen die Geschworenen ausgewählt werden, kleiner. Da sticht nicht jedes Ungleichgewicht sofort ins Auge.«
    »Einem erfahrenen Anwalt wie Alex würde es trotzdem nicht entgehen.«
    »Aber bei Einzelfällen würde er es wahrscheinlich für reinen Zufall halten oder nach banaleren Erklärungen suchen. Genau das hat er ja auch getan.«
    »Aber Sie waren nicht seiner Meinung?«
    »Nein, und ich sage Ihnen auch, warum: Wir haben nur mit viel Mühe erreicht, dass der Prozess in ein anderes Gericht verlegt wurde, und ich hatte im Vorfeld ausführlich die demographische Zusammensetzung der einzelnen Bezirke recherchiert. Ich bin also mit sehr genauen Erwartungen in diesen Gerichtssaal gegangen, und dadurch, dass diese Erwartungen dann enttäuscht wurden, ist mir der Mangel an schwarzen Kandidaten natürlich sofort ins Auge gesprungen. Zumal es sich um einen ungewöhnlich großen Geschworenenpool handelte. Es ließ sich also nicht einfach als zufällige Abweichung abtun.«
    »Trotzdem haben Sie Alex noch nichts von Ihrer Theorie gesagt, dass die Software bewusst manipuliert wurde?«
    »Weil es gar keine richtige Theorie ist. Bisher ist es reine Spekulation.«
    »Sie haben also Angst, dass er Sie auslacht.«
    Andi antwortete nicht. Ihr war plötzlich der Gedanke gekommen, dass Alex Juanita bestimmt fast alles anvertraute. Und Alex war einer der wenigen Menschen, die wussten, dass sie der Mitarbeit am Claymore-Fall nur unter Druck zugestimmt hatte.

Mittwoch, 19. August 2009 – 13.35 Uhr
    Als Alex vom Feinkostladen in die leere Kanzlei zurückgekommen war, hatte er überrascht den Zettel auf seinem Schreibtisch zur Kenntnis genommen, auf dem stand: »Mache eine lange Mittagspause und unterhalte mich mit Andi.« Aber er wollte keine große Sache daraus machen. Juanita war als Mitarbeiterin viel zu bedeutend, um sie wegen Kleinigkeiten zu tadeln. Und wenn sie es für wichtiger hielt, ein vertrauliches Gespräch mit Andi zu führen, als ans Telefon zu gehen, dann würde er das nicht in Frage stellen.
    Ihm war durchaus klar, dass Juanita besser auf Frauenprobleme eingehen konnte als er, und er war sich auch darüber im Klaren, dass Andi immer noch mit ihrer Entscheidung haderte, bei diesem Prozess als Verteidigerin mitzuwirken.
    Die heutigen Ereignisse waren besonders traumatisch für sie gewesen, deshalb lag der Grund dafür, dass Juanita mit ihr essen gegangen war und sie ermutigt hatte, sich ihren Kummer von der Seele zu reden, eigentlich auf der Hand.
    Der Prozess verlief überraschend positiv, und das hatte Alex zu einem großen Teil Andi zu verdanken. Es war ihr gelungen, Bethel Newtons Aussage ernsthaft zu untergraben, und das, ohne als fiese Anwältin dazustehen. Natürlich hatte sie das Mädchen zum Weinen gebracht, aber die Tränen waren erst geflossen, als herauskam, dass Bethel schon einmal Strafanzeige wegen Vergewaltigung gestellt und diese später zurückgezogen hatte. Das hatte bei den Geschworenen sicher keinen guten Eindruck hinterlassen und für Zweifel an Bethels Aussage gesorgt.
    Alex sah, dass der Anrufbeantworter blinkte – jemand hatte eine Nachricht hinterlassen. Er drückte auf die Abspieltaste.
    »Hallo! Dies ist eine Nachricht für Alex Sedaka. Mein Name ist Jerry Cole, und ich rufe aus Ventura

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