Späte Sühne - Island-Krimi
erst mal so, als wäre uns der Leuchter nicht aufgefallen. Ich glaube nicht, dass Helgi Kárason untertauchen wird, und falls er irgendwelches Beweismaterial vernichten musste, hat er das ohnehin schon längst getan.«
Der Kellner kam mit den Getränken und stellte sie auf den Tisch.
Gunnar hob sein Bierglas und sagte: »Und damit ist dieser Arbeitstag offiziell beendet. Skål! Prost!«
Mittwoch, 14. Oktober
09:30
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel fuhr Birkir im Taxi zur Botschaft. Arngrímur holte ihn an der Rezeption im Felleshus ab.
»Du bist allein?«, fragte Arngrímur.
»Ja.«
»Ist dein Kollege anderswo in der Stadt beschäftigt?«
»Er ist im Zoo«, sagte Birkir.
Arngrímur musste lächeln. »Gute Idee«, sagte er. »Das Wetter ist schön, aber es ist bereits ziemlich kühl geworden.«
Birkir ging nicht weiter darauf ein. »Wir sind ja auch schon fast fertig«, sagte er. »Wir brauchen von euch nur noch Informationen darüber, wo wir den Sonnendichter und seinen Begleiter auf der Messe finden, wir fliegen nachher nach Frankfurt. Morgen geht es zurück nach Island.«
»Die Buchmesse hat heute Morgen begonnen. Jón Sváfnisson ist am Stand H 251 in Halle 6. Heute ist auch eine Mitarbeiterin der Botschaft auf der Messe, und sie hat uns mitgeteilt, dass Jón dort eingetroffen ist.«
Birkir notierte sich das und sagte dann: »Ich wäre dir dankbar, wenn du mir noch etwas mehr über diese Häuser hier sagen könntest. Es hilft immer, wenn man ein klares Bild vom Tatort hat.«
»Selbstverständlich. Und nachher bringt euch dann unser Fahrer zum Flughafen«, sagte Arngrímur und blickte sich um, während er überlegte, wo er anfangen sollte. »Durch diesen Eingang gelangt man zunächst ins Felleshus, wo sehr viele Veranstaltungen stattfinden, und dann natürlich auch zu den Botschaften«, sagte er dann. »Es gibt aber an der Südseite noch einen anderen Eingang für die konsularischen Abteilungen der fünf Länder.«
»Aber es gibt keinen weiteren Eingang für die Botschaften?«
»Doch, durch die Tiefgarage, aber der Zugang zu ihr ist sehr begrenzt. Da waren wir gestern.«
Arngrímur führte Birkir zu einer Doppeltür gegenüber dem Haupteingang zum Felleshus. »Das ist unser Veranstaltungssaal«, sagte er und öffnete die Tür. Birkir warf einen Blick in das Auditorium.
»Hier hat Jón Sváfnisson gelesen«, sagte Arngrímur. »Der Saal hat Sitzplätze für rund hundert Menschen.«
Das Auditorium hatte eine hohe Decke und ansteigende Sitzreihen. Die Wände waren mit dunkelroten Platten verkleidet, die in Größe und Form an die Kupferplatten außen erinnerten. Die Bestuhlung hatte dieselbe rote Farbe.
»Ein sehr angenehmer Saal für nicht allzu große Veranstaltungen«, sagte Arngrímur. »Für Lesungen, Vorträge, Konzerte oder auch für Konferenzen.«
»Ist Jón Sváfnisson in Deutschland bekannt?«, fragte Birkir.
»Hast du seine Gedichte gelesen?«, war Arngrímurs zögernde Gegenfrage.
»Ja. Viele davon sind sehr gut.«
»Ja, sie sind gut, und in Island sind sie auch ziemlich bekannt. Vor allem die vertonten. Hierzulande nützt das leider nichts.«
»Aber dieser Gedichtband von ihm ist doch herausgegeben worden?«, sagte Birkir.
»Schon, aber nicht im normalen Verlagswesen. Ein deutscher Sonderling, der Island seit zwanzig Jahren jedes Jahr besucht, um Isländisch zu lernen, hat eine Auswahl seiner Gedichte ins Deutsche übertragen. Nicht sonderlich gut, um die Wahrheit zu sagen, aber Jón hat es sich einfach in den Kopf gesetzt, sie hier in Deutschland herauszubringen. Er ließ dem Botschafter keine Ruhe, und schließlich hat Konráð die Angelegenheit auf mich abgeschoben. Ich habe mich daraufhin mit einem Verlag in Verbindung gesetzt, der Bücher herausgibt, wenn man selber für die Kosten aufkommt. Der Sonnendichter ist wohlhabend, und er hat Konráð das erforderliche Geld überwiesen. Jón hat das als Provision oder Marketingkosten angesehen, und er glaubt oder macht sich was vor, dass so etwas einfach dazugehört, und dass es eine ganz normale Ausgabe ist.«
»Ist der Gedichtband in Buchläden erhältlich?«
»Es gibt einen sehr begrenzten Vertrieb in einigen Buchläden, mit denen der Verleger einen Vertrag hat, aber es verkauft sich natürlich nicht. Ich kannte dieses Unternehmen, denn ich habe vor einiger Zeit ein kleines Buch mit einer Zitatensammlung über Diplomaten und ihre Arbeit zusammengestellt, die ich im Lauf der Jahre gesammelt und ins Isländische
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