Späte Sühne - Island-Krimi
musikalische Rarität. Leider gibt es keine anderen Aufnahmen von Sunnas Liedern.
Diese Zeit in Sandgil war zwar schön, doch die Einkünfte blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Wegen der Schulden beim Genossenschaftsladen waren wir gezwungen, irgendwelche anderen Einnahmequellen aufzutun. Und da kam Jón auf die Idee, oben auf dem Dachboden Cannabis zu züchten. Eine dauerhafte Lösung war das natürlich nicht, aber wir hofften, uns dadurch besser etablieren zu können.
Die Grundkosten waren erheblich. Wir mussten uns Treibhausbeleuchtung und Samen beschaffen, aus denen wir die Pflanzen heranzüchten konnten. Dazu nahmen wir bei irgendeinem Wucherer in Reykjavík ein Darlehen auf, und der größte Teil des Ertrags ging mit der Abzahlung drauf. Wir mussten also die Produktion erheblich steigern, um davon leben zu können. Der Dachboden bot ausreichend Platz, sodass wir über Pflanzen in allen Entwicklungsstadien verfügten. Das Pflanzensubstrat mischten wir selber aus Erde, Pferdemist und Sand unten vom Fluss. Das Bewässern war absolute Präzisionsarbeit, und da war Fabían besser als alle anderen. Die Pflanzen müssen nämlich zwischendurch immer ein wenig trocken stehen, dafür hatte er ein fabelhaftes Händchen. Die Lampen hingen in angemessenem Abstand über den Pflanzen, und um die Helligkeit optimal zu nutzen, hatten wir alles ringsherum mit Alufolie ausgekleidet. Das Ernten war eine komplexe Angelegenheit, der Zeitpunkt musste genau stimmen, um die beste Konzentration des Wirkstoffs in der Pflanze abzupassen. Das hatten Jón und ich in Spanien gelernt, und wir stellten gutes Gras her, das sich in Reykjavík bestens verkaufen ließ. Es dauerte aber nicht lange, bis die Polizei auf uns aufmerksam wurde. Wir verwendeten ein ähnliches Vertriebssystem wie in Spanien. Eine Freundin von uns in Reykjavík nahm die Vorräte in Verwahrung, Jón und ich verkauften, und Rakel versorgte uns mit den abgepackten Rationen. Wir wurden ein paar Mal durchsucht, aber die Mengen, die die Bullen bei uns fanden, waren so geringfügig, dass sie gut für den eigenen Verbrauch bestimmt sein konnten, deshalb sah man von Anzeigen ab. Als sich aber bei der Obrigkeit die Verdachtsmomente verdichteten, endete es damit, dass sie uns an einem Freitagnachmittag auf dem Weg nach Reykjavík auflauerten. Eine riesige Polizeiaktion am Rauðavatn, viele Streifenwagen und viel Buhei. Unser gesamter Vorrat war im Auto. Jón, Rakel und ich wurden festgenommen.
Wir kamen in Isolationshaft, und drei Tage lang hat niemand mit uns gesprochen. Erst dann kam der Gefängnispfarrer und führte Einzelgespräche mit uns. Von ihm erfuhren wir, dass Sunna tot war. Sie war an dem Abend, als wir verhaftet wurden, im Haus verbrannt.
Ich will gar keinen Versuch machen, dir zu schildern, was für eine Wirkung das auf uns hatte. Wir wurden nach einer Woche U-Haft entlassen, und später verurteilt, aber da die Strafe zum größten Teil auf Bewährung ausgesetzt wurde, mussten wir nie in den Knast. Es war, als hätte sich das System für irgendetwas geschämt.
Meine einzige Zuflucht waren Alkohol und Drogen, die nächsten zwanzig Jahre lebte ich nur noch im Rausch. Anders hätte ich keinen einzigen Tag überstehen können. Rakel und ich hatten einige Wochen nach dem Brand Schluss gemacht, denn die Erinnerung an Sunna war so mit unserer eigenen Beziehung verbunden, dass wir damit nicht klarkamen. Ich ging nach Amsterdam, wo ich die längste Zeit von diesen zwanzig Jahren gelebt habe. Dort konnte man am leichtesten an Stoff herankommen, und zur Finanzierung des eigenen Konsums habe ich mit stärkeren Mitteln gedealt. Ein Großteil der harten Drogen, die damals auf den isländischen Markt gelangten, ging in diesen Jahren durch meine Hände. Trotz der Ausschweifungen habe ich aber irgendwie noch funktioniert, ich habe sogar offene Seminare an Kunstschulen besucht. Ich machte weiter mit dem Ton, und mir gelang es, einen Stil zu entwickeln, der Aufmerksamkeit erregte. Um die Mittagszeit war ich meist imstande, für zwei oder drei Stunden zu arbeiten, und dabei kam das ein oder andere Objekt zustande. Meine Sachen waren gefragt, und die Preise zogen an, weil die Produktion so gering war. Das war gut so, denn inzwischen hatten mich sehr viel härtere Typen aus dem Drogenmarkt abgedrängt. Ich war inzwischen selber auf Heroin, und versumpfte total. Das sprach sich bis nach Island herum, und eines Tages tauchten der Sonnendichter und meine frühere Freundin Rakel
Weitere Kostenlose Bücher