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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ich«, sagte Birkir. »Aber ich habe gehört, dass sie ein ganz besonderer Mensch war. Alle, die sie gekannt haben, scheinen sie nicht vergessen zu können.«
    »Wenn du meine Schwester Sunna gekannt hättest, würdest du das verstehen«, entgegnete Starkaður. »Sie war so gut zu allen, und ihr Tod war so grauenvoll ungerecht.«
    »Erzähl mir über dein Verhältnis zu Sunna«, sagte Birkir.
    »Weshalb sollte ich das tun?«
    »Du musst es nicht tun. Ich kümmere mich gleich darum, dass du freigelassen wirst. Ich werde es damit begründen, dass du die Ermittlung nicht behindern kannst, selbst wenn du auf freiem Fuß bist.«
    »Du meinst, ich käme noch heute raus?«
    »Ich werde mein Bestes tun.«
    »Du möchtest mehr über Sunna wissen?«
    »Das ist keine Bedingung, aber ich wäre dir dankbar.«
    »Na schön, ich werde dir von Sunna erzählen«, sagte Starkaður. »Sie hat es mehr als verdient, dass ihr Andenken hochgehalten wird.«
    »Ich verstehe«, sagte Birkir.
    »Sunna und ich hatten keine anderen Geschwister«, begann Starkaður. »Unser Vater war Lehrer in einem Dorf in den Westfjorden und unsere Mutter Hausfrau. Sie waren beide sehr altmodisch und konservativ, und unser Verhältnis zu ihnen war kein vertrauensvolles. Sie waren schon fast vierzig, als ich zur Welt kam. Sunna war fünf Jahre älter als ich, und sie hat immer auf mich aufgepasst. Mit fünfzehn entdeckte ich, dass ich in einen meiner Schulkameraden verknallt war. Ich war völlig verunsichert aufgrund dessen, was sich in mir abspielte, denn in meiner Vorstellung war Homosexualität etwas Grauenvolles. Es gab einen Mann im Dorf, der unter diesem Verdacht stand, er war vollkommen isoliert. Er trank und war verwahrlost. Kinder und Jugendliche wurden vor ihm gewarnt, was zum schlimmsten Mobbing führte. Wenn die Kinder etwas anstellen wollten, sammelten sie sich vor seinem Haus und warfen ihm Abfälle an die Fenster, bis alles völlig verdreckt war. Das war die Zukunft, die ich vor mir sah, und ich trug mich mit Selbstmordgedanken. Sunna war die einzige Person, der ich mich anvertrauen konnte, und sie hat mir das Leben gerettet. Sie sagte mir, ich solle auf meine Gefühle vertrauen und mir von niemandem sagen lassen, was in dieser Beziehung richtig oder falsch ist. Wenn mein Herz in diese Richtung weisen würde, dann sei das der Weg, den ich einschlagen müsste. Niemand sollte seinen Gefühlen Gewalt antun. Sunna sagte mir, es gäbe Orte, wo Menschen wie ich leben könnten, ohne sich verstecken zu müssen. Sie versprach, mir dabei zu helfen, dorthin zu kommen.«
    Starkaður kamen die Tränen, und unter Schluchzen fuhr er fort: »Und dazu hat Sunna gestanden, auch wenn sie aus diesem Leben verschwand. Ihre Worte haben mir dabei geholfen, mir Ziele zu setzen, nach denen ich streben konnte, auch wenn ich noch viele Jahre in meinem Schrank blieb und mich erst heraustraute, als meine Eltern gestorben waren. Ich bereue nur eines, nämlich mich mit dieser Lüge von ihnen verabschiedet zu haben. Und der Ort, den Sunna mir versprochen hatte, der existierte wirklich. Aber ich musste ihn nicht suchen und dorthin fahren, er war ja sozusagen vor der Haustür. Reykjavík war im Begriff, genau dieser Ort zu werden, und ich habe alles dazu beigetragen, dass es so werden konnte.«
    Starkaður hatte seine Erzählung beendet und weinte still vor sich hin, als Birkir sich verabschiedete.
    15:20
    Die Leiche war aus der Wohnung entfernt worden, und Anna war beinahe fertig mit ihrer Arbeit. Sie hatte zwei weitere Experten vom Erkennungsdienst hinzugerufen und alle anderen hinausgeschickt. Dóra ging von Tür zu Tür, um festzustellen, ob die Bewohner des Hauses irgendetwas bemerkt hatten, was bei der Ermittlung hilfreich sein konnte.
    Der Rechtsmediziner deutete nach der Untersuchung der Leiche an, dass Annas Ansicht vermutlich korrekt war. Der Mord war allem Anschein nach am Freitag verübt worden, aber endgültige Klarheit darüber könnten erst die Obduktionsergebnisse bringen. Im Mülleimer befanden sich Verpackungen von Essen, die darauf hindeuteten, dass sich Búi zwei Tage in der Wohnung aufgehalten hatte, aber es gab keine Anzeichen dafür, dass er dort übernachtet hatte. In der Küche lagen Zeitungen vom Donnerstag und Freitag.
    Obwohl beim Bohren einiges an Metallspänen und Staub angefallen war, hatte sich nichts davon über die Wohnung verteilt, sodass es keine Fußabdrücke gab. Der Fußboden war erstaunlich sauber und schien erst kürzlich gewischt worden zu

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