Späte Sühne - Island-Krimi
durchatmen. Ich darf weder niesen noch husten, bin aber erkältet wie sonst was. Ich glaube, ich kann aber am Schreibtisch sitzen und dir gute Ratschläge geben.«
»In Ordnung«, sagte Birkir. »Dann gucken wir uns jetzt die Aufnahmen vom Flughafen an.«
»Das wird bestimmt spannend«, sagte Gunnar, nachdem er sich vorsichtig auf dem Stuhl vor dem Computer niedergelassen hatte. Birkir sah ihm über die Schulter. Nach einigen Mausklicks lief die erste Bildsequenz ab. Die Digitalanzeige im Bild gab die genaue Zeit an, und sie spulten die Bilder bis zu dem Zeitpunkt vor, als die Maschine aus Berlin gelandet war.
»Da ist er«, sagte er, als sie die ersten Passagiere aus der Gangway herauskommen sahen. Die Passagiere der Business-Class gingen als Erste von Bord. Arngrímur trug einen Mantel über dem Arm und blickte sich verwirrt nach allen Seiten um. Dann folgte er den anderen Passagieren, die sich offensichtlich besser auskannten und wussten, in welche Richtung man zu gehen hatte.
Birkirs Handy klingelte. Gunnar hielt die Aufzeichnung an, während Birkir das Gespräch entgegennahm und eine Weile schweigend lauschte. Dann bedankte er sich und steckte das Handy wieder ein.
»Man hat herausgefunden, wie das Flugticket für Arngrímur bezahlt wurde«, sagte Birkir. »Die Karte ist auf den Namen Anton Eiríksson ausgestellt.«
»Anton? Mann, der ist doch tot«, sagte Gunnar.
»Da benutzt jemand seine Kreditkarte«, antwortete Birkir.
»Da waren einige Karten in der Brieftasche, die die deutsche Kripo in seiner Jacketttasche gefunden hat.«
Birkir nickte. »Er muss also noch eine gehabt haben.«
Sie wandten sich wieder dem Computer zu.
»14:43 Uhr«, sagte Gunnar. »Und jetzt gehen wir zu den Aufnahmen in der nächsten Kamera über und fangen zum selben Zeitpunkt an und bleiben ihm auf den Fersen.«
Auf diese Weise konnten sie Arngrímur auf seinem Weg zu den Gepäckbändern in der Ankunftshalle verfolgen, wo er eine Zeit lang auf seinen Koffer warten musste.
»Wahrscheinlich gibt es solche Aufnahmen auch von unserer Ankunft am Donnerstag«, sagte Gunnar. »Als du mich im Rollstuhl durch das ganze Gebäude geschoben hast. Ich hatte eine Scheißwut.« Gunnar ließ die Bilder auf dem Monitor jetzt schnell durchlaufen.
Birkir grinste. »Wir sollten uns vielleicht eine Kopie besorgen und sie auf unserem nächsten Betriebsfest vorspielen.«
»Da nimmt er seinen Koffer«, sagte Gunnar und verlangsamte die Bildabfolge wieder.
Sie sahen, wie Arngrímur auf die grüne Zollschranke zuging und durch die Tür verschwand. Die nächste Bildsequenz stammte aus der Ankunftshalle, wo viele Menschen warteten. Endlich tauchte Arngrímur mit dem Mantel über dem Arm auf, mit der anderen Hand zog er einen kleinen Koffer auf Rädern hinter sich her. Beim Ausgang hielt er zunächst inne und blickte sich um, doch dann ging er schnurstracks auf einen Mann zu, der ein weißes Pappschild hochhielt. Die beiden wechselten ein paar Worte und verließen das Gebäude.
»Wer war das?«, fragte Gunnar.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Birkir. »Aber irgendwie kommt er mir bekannt vor.«
Das Telefon klingelte, und Birkir hob ab. Es war Dóra, die mit dem Rechtsanwalt zu Antons Wohnung gegangen war.
»Am Schlüsselbund waren Schlüssel, die sowohl zur Haustür als auch zur Wohnungstür passten«, sagte Dóra.
»Gut«, sagte Birkir.
»Nein, gar nicht gut«, sagte Dóra. »Da drinnen liegt ein Toter mit Verletzungen am Kopf.«
12:50
Die Tür zur Wohnung in Austurbrún stand halb offen, und Dóra wartete draußen auf dem Flur auf sie. Anna und Birkir begrüßten sie. Sie hatten sich für die Untersuchung des Tatorts beide in weiße Tyvek-Anzüge gekleidet.
»Wo ist der Rechtsanwalt?«, fragte Birkir.
»Zur nächsten Besprechung«, sagte Dóra. »Er hatte hier ja auch eigentlich nichts mehr verloren. Wir haben die Wohnung sofort wieder verlassen, als wir sahen, was Sache war.«
Anna ging zur Tür und schnupperte. »Drei Tage«, sagte sie.
Birkir folgte Anna, die vorsichtig die Wohnung betrat. Ein schwacher Geruch schlug ihm entgegen, den er schon früher gerochen hatte. Nicht oft, aber oft genug. Anna kannte ihn besser. Sie konnte allein vom Geruch her sagen, wie alt eine Leiche war, bis zu einer Woche. Danach war der Gestank pestilenzartig.
Die Wohnung war mit Parkett ausgelegt. Aus der offenen Diele gelangte man ins Wohnzimmer, die Küche war links, und rechts befanden sich zwei Zimmer und das Badezimmer. Die Leiche lag in dem
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