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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Musik, White Room von Cream übertönte alles. Birkir wusste, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, die Tür aufzubrechen. Er blickte sich um und sah etwas weiter hinten im Korridor ein Schränkchen an der Wand. Als er einen Blick hineinwarf, bestätigte sich seine Vermutung, dass es sich um den Sicherungskasten für dieses Stockwerk handelte. Ein vorsintflutliches Stück mit altmodischen Schraubsicherungen und ein paar Ersatzsicherungen. Da Birkir nicht wusste, worauf sich die Beschriftungen bezogen, drehte er die Hauptsicherung heraus. Im gleichen Augenblick verstummte die Musik, und auf dem Korridor ging das Licht aus. Als sich die Ateliertür öffnete, drehte er die Sicherung wieder hinein.
    »Was zum Teufel machst du da?«, fragte Helgi Kárason, als das Licht auf dem Korridor wieder angegangen war und er Birkir beim Sicherungskasten sah.
    »Wir müssen miteinander reden. Du hast mein Klopfen nicht gehört.«
    »Ich arbeite.«
    »Damit kannst du weitermachen, das stört mich nicht. Falls du dich weigerst, meine Fragen zu beantworten, lasse ich dich festnehmen, und dann ist nichts mit Arbeit.«
    »Festnehmen?«
    »Ja. Es gibt hinreichende Gründe. Muss ich das näher erklären?«
    »Ja, das musst du.«
    »Ein Angehöriger der Berliner Botschaft, Arngrímur Ingason, ist seit seiner Ankunft hier in Island am letzten Freitag verschwunden. Meiner Meinung nach hängt sein Verschwinden mit dem Brand in Sandgil zusammen. Ich möchte die Geschichte zu Ende hören.«
    »Ist Arngrímur Esjar verschwunden?«
    »Ja. Du kennst ihn also?«
    »Er war Bezirksamtmann in Hvolsvöllur.«
    »Bist du ihm damals begegnet?«
    »Nein. Ich hatte nie etwas mit ihm zu tun, ich habe ihn höchstens mal von Weitem im Dorf gesehen. Und seitdem nie wieder.«
    »Habt ihr, die ehemaligen Bewohner von Sandgil, etwas mit dem Verschwinden von Arngrímur Ingason zu tun?«
    »Ich nicht.«
    »Aber die anderen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wäre es möglich?«
    »Komm herein«, sagte Helgi und bedeutete Birkir mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Helgi ging zu einer kleinen Küchenzeile in einer Ecke des Ateliers. Dort stand eine Thermoskanne, und er schraubte den Deckel ab.
    »Möchtest du Kaffee?«
    »Nein, danke. Höchstens ein Glas Wasser.«
    Helgi holte ein Glas aus dem Schrank und reichte es Birkir. »Wasser ist dort«, sagte er und zeigte auf ein Waschbecken. Dann goss er sich selber Kaffee ein.
    Birkir wiederholte seine Frage. »Ist es denkbar, dass Jón Sváfnisson, Rakel und Starkaður etwas mit dem Verschwinden von Arngrímur zu tun haben?«
    »Rakel nicht.«
    »Aber Jón und Starkaður?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hast du Grund zu glauben, dass es sich so verhalten könnte?«
    »Ich weiß überhaupt nichts mehr. Die Sache entwickelt sich langsam viel zu dramatisch für meinen Geschmack, das halten meine Nerven nicht aus.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich werde dir die Geschichte erzählen, aber ich will nicht, dass du das aufnimmst. Mir ist es egal, wie es ausgeht, aber ich will auf keinen Fall, dass das hier aufgezeichnet wird.«
    »In Ordnung«, sagte Birkir.
    Helgi setzte sich auf einen Sessel neben der Küchenzeile und bedeutete Birkir, Platz zu nehmen.
    »Die Lust an der Arbeit ist mir ohnehin für heute vergangen«, sagte er, trank einen Schluck Kaffee und schwieg.
    Birkir schwieg ebenfalls und sah auf das Wasserglas in seiner Hand. So verging eine geraume Weile, bis Helgi bereit schien, mit seinem Bericht zu beginnen. »Als der Sonnendichter und Rakel nach Amsterdam kamen, um mich aus der Gosse zu holen, hatten sie mir einiges zu erzählen«, sagte er. »Nachdem Sunna bei dem Brand ums Leben gekommen war, wurde Fabían in eine geschlossene Anstalt gesteckt. Er war unfähig, sich mitzuteilen, denn er stand unter schwerem psychischen Schock. Er war in wachem Zustand ohne Bewusstsein, und erst viele Jahre später änderte sich das. Einer jungen Frau, die als Psychologin an der Anstalt tätig war, gelang es mit Geduld und Ausdauer, ihn durch irgendeine Form von Hypnose zurück ins Leben zu holen. Der erste Schritt bestand darin, dass er aus eigenem Antrieb einen Schluck Wasser zu sich nahm, und als Nächstes brachte er das ein oder andere Wort heraus. Es hat zwei Jahre gedauert, bis er den Zustand erreichte, in dem er sich auch heute noch befindet. Er ist mental wieder einigermaßen im Gleichgewicht. Teil dieses Genesungsprozesses war, das zu verarbeiten, was er bei dem Brand erlebt hatte. Es stellte sich heraus, dass jeder

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