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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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vor beinahe drei Wochen nach Schweden genommen hatte. Diesmal kaufte sie im Duty-free-Shop auf der Fähre weder Parfüm noch Wodka, sondern nur eine Dose Cola. Außer einigen übermüdeten Fernfahrern war sie die einzige Passagierin auf dem Schiff.
    Sie nahm die Cola mit aufs Oberdeck. Der Nachtwind über der Ostsee war überraschend mild. Morgen ist der Februar vorbei, dachte sie. Dann kommt der März. Schnell näherte sich das Schiff der Küste. Sie sah eine Reihe gelber Scheinwerfer und Straßenlaternen. Das war Deutschland.
    Das Autoradio brachte Nachrichten, Fußballergebnisse, das Wetter, den Verkehrsfunk. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln trennten sich unentschieden, ein Tiefdruckgebiet, Stau auf der A1, Höhe Maschen. Kleine Fitzel Heimat. Grönemeyer sang etwas über Menschen.
    Sie dachte an Sebastian in der Wohnung in Berlin.
    An ihren Vater in einem Krankenbett in Ljungby.
    An Opa Friedrichs Akkordeon.
    Die Lindgrens. Bo und Love, das Täterpaar. Das Duo Infernale. Walter und Maria. Ein schachbesessener, schwulenfeindlicher, vereinsamter Sohn und eine lesbische Historikerin. Sie versuchte, sich die beiden in einer Schiffskabine vorzustellen. Es ging nicht. Bei Oldenburg in Holstein fuhr sie auf einen Parkplatz. Es war jetzt fünf Uhr morgens. Sie rief Delgado an. Beim zweiten Klingeln nahm er ab. Entweder saß er vor seinem Online-Spiel, oder er war so aufgeregt, dass er nicht schlafen konnte.
    »Die Kabine«, sagte sie, »was haben die falschen Lindgrens für eine Kabine?«
    »Keine Ahnung, was die für Nummern haben. Ich bin zu Hause, Stina.« Und nach einer Weile: »Soll ich ins Präsidium fahren?«
    »Also keine gemeinsame Kabine?«
    »Nein, das waren verschiedene Nummern, so viel weiß ich noch.«
    »Mist!«, sagte Forss. So ein verdammter Mist.
    3
    Das Schloss hatte nur leise gepiept, geklickt, und schon war die Tür auf gewesen. Er war hineingehuscht, hatte die Tür hinter sich geschlossen. Der Teppichboden hatte seine Schritte gedämpft. Eins, zwei, drei, und er hatte vor ihr gestanden. Ein schwacher Lichtschein aus dem Bad war auf ihre Züge gefallen: Ihr dunkles Gesicht war schön, auf eine beunruhigende, auf eine fremde Art. Gleichmäßig hatte sie geatmet, den Schlaf der Gerechten geschlafen. Dann war sie aufgewacht. Einfach so.
    Sie hatten sich lange angestarrt. Gemustert. Ein lautloser Machtkampf. Dann hatte sie ihre Unterlegenheit eingesehen und angefangen zu erzählen. Zuerst hatte er wenig verstanden. Sie hatte von Dingen geredet, die lange her waren, und Orten, die weit entfernt lagen. Ein Soldat, eine Vergewaltigung, eine schlimme Krankheit. Balthasar Frost war ein böser Mann gewesen, ein schlechter Vater, ein Leben lang abwesend. Schließlich hatte sie ihn gefunden, dachte sie.
    Während sie redete, begriff er allmählich ihre Geschichte. Das ganze Drama. Sie hatte ja keine Ahnung, kannte die Wahrheit nicht. Sie wusste nichts von Henrik Larsson und dessen Fähigkeiten. Dem Kunstschach. Den Kompositionen. Dem Prestige. Die Punkte, die Wertungen, Henriks Genie, das Walter für den großen Titel so dringend benötigte. Sie wusste nichts von Blöcken, Batterien und Idealmatt. Von Meredith, Miniatur und Mustermatt. Vom Rex Solus. Dem Zweispänner, dem Zwilling. Seine ganze wunderbare, acht mal acht Felder große Welt war ihr vollkommen unbekannt.
    Er hatte nicht mit ihrer Schnelligkeit, nicht mit ihrer Schlagkraft gerechnet. Sie war über ihn gekommen wie eine Furie. Dabei hätte es doch genau andersherum sein sollen. Er war doch der, der die Waffe gehabt hatte, die Macht, die Kontrolle. Ein zweites Mal war das Chaos über ihn hereingebrochen. Aus dem Nichts war dieses Bett auf ihn gestürzt, er hatte nicht den Hauch einer Chance gehabt. Es donnerte in seinem Bauch, und plötzlich war der Schmerz wieder da. Diesmal war es schlimmer als nach dem Autounfall. Etwas in ihm war gerissen, er konnte es spüren. Er konnte fühlen, wie sein Bauch hart wurde, sich füllte. Aus den Augenwinkeln sah er den grausamen Dschinn. Die dunkle Frau hockte an der Tür. Jetzt hatte sie die Waffe, jetzt hatte sie die Macht. Er sah in ihren Augen Triumph glänzen. Sie hatte ihn matt gesetzt. Ihm blieb nur ein finaler Zug. Wenigstens konnte er ihr den Triumph aus dem Gesicht wischen. Er spürte wieder das Dröhnen der Motoren, das Pumpen des großen Herzens. Es war jetzt ganz in ihm drin, er war eins mit der Maschine, mit der großen Mutter. Wie am Anfang.

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