Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
grausame Tod von Frost der große Aufmacher. Sie musste an Edman und seine Profilierungssucht denken. Hatte ihr Chef etwas durchsickern lassen? Doch im Grunde war es auch egal, wer es verbockt hatte. Irgendwo las sie die Überschrift: YouTube-Opa zerhackt! Sie musste schlucken. Mit einem Mal fühlte sie sich alt und sehr müde. Der ungewohnte Morgenkaffee machte sie nicht wach, sondern unruhig.
2
Knutsson hatte etwas mehr als einen Tag benötigt, um einen Plan zu fassen, mit dem er Ingrid Nyströms Achtung wiedergewinnen konnte. Er musste ihr imponieren, und das ging am besten durch Arbeit, er musste dazu beitragen, den Frost-Fall zu lösen, oder, noch besser, er musste den Frost-Fall im Alleingang lösen, eine komplizierte Ermittlung in einem mysteriösen Mordfall, der landesweit in allen Zeitungen steht. Das wäre etwas, das sie honorieren würde.
Lars Knutsson ist mein wertvollster Mitarbeiter; ein Polizist, den ich nur bewundern kann und vor dem ich absolute Hochachtung habe.
Vor seinem inneren Auge sah er schon, wie sie im Blitzlichtgewitter der Fotografen eine Pressekonferenz gab, die Lösung des Falls verkündete und ihn mit warmen Worten lobte.
Der Plan war gut, er enthielt nur ein einziges Problem: Wie sollte ausgerechnet er den Fall lösen? Er saß an seinem Schreibtisch, hatte seine Lesebrille aufgesetzt, einen Bleistift hinter sein Ohr geklemmt und grübelte. Hultin nannte das seine Denkerpose, Delgado meinte, dass er aussehe wie Homer Simpson in einem think tank . Aber die Sprüche seiner Kollegen ließen ihn kalt. Er merkte, dass er sich nicht auf seine tägliche Routinearbeit konzentrieren konnte; die Akten der Einbruchserie in den nördlichen Stadtteilen Växjös stapelten sich auf dem Material über die Lkw-Fahrer, die auf Raststättenparkplätzen illegal Wein und Spirituosen an Jugendliche verkauften. Außerdem hatte er Informationen zu dem ausgebrannten, herrenlosen Autowrack erhalten, bei dem die Schachfiguren gelegen hatten. Der Fahrzeughalter wohnte irgendwo in Mittelschweden. Er leitete die E-Mail weiter. Sollten sich doch die Kollegen vor Ort drum kümmern. Dann hatten sich zwei Zeugen wegen der Einbruchserie in Araby gemeldet. Aber sollte er sich jetzt wirklich mit jedem Mist befassen? Er entschied, dass der ganze Kleinkram warten müsse. Es war Zeit, an seinem Plan zu feilen, und nichts beflügelte seine Gedanken besser als zwei oder drei Zimtschnecken und eine halbe Kanne frisch gekochter Kaffee.
3
Die Nacht in seinem Bett, in der warmen Wohnung, hatte ihm gutgetan. Er hatte fest geschlafen. Als er aufwachte, waren die Schmerzen schwächer als noch am Vortag, sein Körper fühlte sich kräftiger an. Er duschte lange, dann bereitete er sich ein Frühstück aus Speck und den acht Eiern, die er im Kühlschrank fand. Der Rest der Lasagne war verdorben, er hatte nicht geplant, fünf Tage wegzubleiben, auch das Brot war vertrocknet, was ihn maßlos ärgerte, das gute Vollkornbrot für 45 Kronen, aber wenigstens hatte er noch Knäckebrot im Schrank. Als er sich satt gegessen hatte, putzte er die Wohnung. Der Staub von fünf Tagen machte ihn schwindelig und schläfrig. Er legte sich erneut ins Bett. Diesmal schlief er bis weit in den Nachmittag hinein. Als er aufwachte, war er wieder hungrig. Er zog sich an und entschied, den Bus zum WILLY:S zu nehmen, das würde zwar ewig dauern, war aber angenehmer, als durch den Regen zu radeln. Außerdem hatte das Fahrrad seit dem Herbst einen Platten, um den er sich noch immer nicht gekümmert hatte. Im Flur, auf dem Weg nach draußen, fiel sein Blick auf die Zeitungen, die sich auf dem Boden angesammelt hatten, seit er am Samstagvormittag aus dem Haus gegangen war. Kurz überlegte er, die Blätter nach dem Vorfall durchzusehen. Vielleicht stand ja etwas darin, etwas über den Dschinn, der dort gewesen war, im Glashaus bei den Schmetterlingen. Der wusste, was er getan hatte. Dann entschied er sich dagegen. Bevor er über das Chaos nachdenken konnte, das die Frau ausgelöst hatte, brauchte er etwas Richtiges zu essen. Bei einer warmen Mahlzeit kam er wahrscheinlich viel schneller darauf, wer es war, den er im Glashaus gesehen hatte. Er hatte sie nämlich schon einmal getroffen.
Die Frage war nur, wann und wo.
Und er musste sie wieder treffen.
Er musste sich seine Beute zurückholen, um jeden Preis.
4
Stina Forss’ Laune hatte sich im Laufe des Tages unaufhaltsam verdüstert. Am Morgen war sie durch den Nieselregen rund um den Växjösee zum Campus
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