Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
Vom Netzwerk:
die Gästetoilette. Von einer flachen Glasschale voller getrockneter Blüten ging ein starker Geruch aus. Aber das war nicht das, was sie vorhin gerochen hatte. Sie schloss die Tür wieder. Die dritte Tür, eine breite Flügeltür, war verschlossen. Hinter der vierten Tür war die Küche, ein riesiger gekachelter Raum voller moderner Gerätschaften. Auf der anderen Seite der Küche ging noch eine Tür ab, schmaler und niedriger als die anderen. Mit wenigen Schritten durchmaß Forss den Raum. Es war der Vorratsraum. Zwischen Regalen voller Lebensmittel, zwischen Einmachgläsern und Dosen und Müslischachteln saß auf einem Schemel die kleine Asiatin und sah sie mit großen Augen an. In ihren Mundwinkeln klebten Sahne und Schokoladensoße. Forss lächelte, dann streckte sie die Hand aus.
    »Verdammter Fress-Flash«, sagte sie. »Ich will das Gras und den Schlüssel für die Tür im Flur.«
    13
    Während eines langen Moments war Nyström geneigt, Hildegard Hedingks zu glauben. Ein verschollener Bruder, ein depressiver Ehemann, der sich von Kriegstraumata gezeichnet das Leben genommen hatte, der finanzielle Abstieg der Familie. Das ganze Leben eine einzige, offene Wunde.
    Doch dieser Moment war schnell vorüber. Sie dachte an Frederik Axelsson und den Schmerz, den der alte Mann empfunden hatte. Das war echt gewesen, wahrhaftig. Das, was Hildegard Hedingks hier aufführte, war dagegen eine Posse. So tragisch ihre Lebensgeschichte sein mochte, sie hatte nichts mit dem zu tun, was sich hinter der Mauer wirklich verbarg. Mit einem Gefühl von Resignation stand sie auf. Draußen, vor dem Fenster, im Sund, fuhr wieder ein großes Schiff vorbei.
    14
    Hinter der Doppeltür war eine Art Lesezimmer. Neben hohen Bücherregalen standen Ledersessel und niedrige Tische, die Stirnseite des Raumes wurde von einem Kamin eingenommen, der aus demselben Sandstein gemauert war wie die Fassade des Hauses. Ein breites Fenster gab den Blick auf den Sund frei, an der gegenüberliegenden Wand hingen zwei düstere, expressionistische Ölgemälde von jemandem, der so ähnlich malte wie Munch, dachte sie, vielleicht waren es auch Originale, wer konnte das schon wissen, in diesem merkwürdigen Haushalt schien ihr mittlerweile vieles möglich. Sie ging durch den Raum auf den Kamin zu. Auf dem breiten Sims stand ein gutes Dutzend gerahmter Fotos, verblichene Porträts von Menschen aus vergangenen Zeiten. Forss musterte die Fotos, aber sie erkannte weder Balthasar Frost noch Johan Lönn. Dafür Männer in Uniformen, Frauen in langen Sommerkleidern, irgendwo stand eine jüngere Version von Hildegard Hedingks neben einem vielleicht zehnjährigen Jungen. Ihr Sohn? Der Kleine hielt einen Pokal und ein Spielbrett in der Hand und lachte in die Kamera. Dann fiel ihr Blick auf die Seitenwände des breiten Kaminschornsteins. In hellen Holzrahmen und kleinen Schaukästen hingen getrocknete Farne und Feldblumen, fossile Fundstücke, versteinerte Schneckenhäuser und Muscheln, glitzernde Quarzbrocken und honiggelbe Bernsteine. Am obersten Rand der Sammlung hing ein flaches Kästchen, dessen Inhalt sie wegen der Reflexion auf der Glasscheibe beinahe übersehen hätte. Doch als sie ihren Kopf ein Stück zur Seite neigte, um den Blickwinkel zu ändern, waren die beiden aufgespießten mottenartigen Falter gut zu sehen. Bombyx Mori, war darunter mit schwarzer Tinte auf ein ausgeblichenes Etikett geschrieben.
    Maulbeerspinner.
    Forss erkannte die zackige, an Sütterlin erinnernde Handschrift wieder, es war dieselbe Schrift, die sie in den Buchführungsunterlagen von Balthasar Melchior Frost gesehen hatte. Zufrieden zog sie die kleine metallene Haschpfeife aus der Tasche, die sie dem Hausmädchen abgenommen hatte, warf einen kurzen Blick auf den gefüllten Pfeifenkopf, griff ein Feuerzeug vom Kaminsims, entzündete die Mischung aus Marihuana und Tabak und nahm einen tiefen Zug, den sie lange in der Lunge behielt.
    Unten in der Galerie traf Forss auf Nyström. Von irgendwoher tauchte das Dienstmädchen auf und reichte ihnen die Mäntel.
    »Ich vermute, die Kleine hat emotionale Probleme«, flüsterte Forss.
    Nyström sah sie verständnislos an. Hinter ihnen fiel die Doppeltür aus Eichenholz schwer ins Schloss.
    15
    Während der Fahrt zurück nach Växjö diskutierten sieüber Hildegard Hedingks. Welchen Grund hatte die alte Frau, zu lügen und die Ermittlung zu behindern, was wollte sie verbergen? Die aufgespießten Schmetterlinge in ihrem Haus waren ein Beweis, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher