Spätkontrolle aufschlussreich
nicht infolge Strommangels. Er weiß, daß er noch mindestens einen Liter Flüssigkeit im Tank hat, aber er kann sie weder trinken noch sorgt die Automatik für die notwendige Feuchtigkeitsanreicherung seiner Atemluft. Sie ist zundertrocken. Wissen Sie eigentlich, wie das die Atemwege belastet? Man glaubt, glühende Nadeln einzusaugen. Machen Sie Schluß, Skupin. Der Mann wird morgen gebraucht.«
Skupin schien nicht zuzuhören.
»Okay, er hat den Schalter zwanzigmal berührt. Warum springt sein Notaggregat nicht an? Wir haben es sorgfältig überprüft. Es funktioniert alles. Lediglich die Klimaanlage und seine Wasserförderpumpe stehen still. Sonst hat er alles, was er zum Leben benötigt. Warum, zum Teufel, begreift er nicht, daß der Schalter zerbrochen ist? Es geschah, als er vor etwa zwei Stunden den Steilhang hinabrutschte. Das muß er bemerken! Sir, bei mir wäre der Mann längst durchgefallen. Es tut mir leid, aber ich bin hier, um die Einsatzschatten der GWA auf Herz und Nieren zu prüfen. Oder glauben Sie, es würde mir Spaß machen, den Qualen anderer Leute zuzusehen?«
»Fast könnte man den Eindruck gewinnen.«
»Der ist falsch. Konnat, ich hatte Sie vor sieben Jahren hier. Sie gehören zu den wenigen Schatten, die unser Testprogramm gut durchlaufen haben. Und Normans? Er versagt, nur weil er nicht begreift, daß der Schalter seiner Notstromversorgung unbrauchbar wurde.«
»Sie können von einem fast bewußtlosen Mann nicht erwarten, daß er noch auf die richtige Idee kommt.«
»Ach was«, wehrte Skupin unwirsch ab. Blinzelnd schaute er zur Sonne empor. Sie stand im Zenit.
»Sir, ich breche den Test sofort ab, wenn Sie mir eine aufrichtige Auskunft geben.«
Ich wußte, worauf er hinauswollte.
»Und …?«
Er grinste mich lustlos an und griff zur Wasserflasche. Weiter vorn, am Steilhang, kroch Morris J. Normans millimeterweise weiter. Er gab nicht auf.
»Der Knabe ist ein Bulle mit dem Kreislauf eines Roboters«, stellte Skupin fest. »Als wir begannen, hatte er noch ein Kilogramm Fett zuviel auf den Rippen. Das kriegen wir heute ’runter! Danach gleicht er einem Apoll. Aber das wollte ich nicht sagen.«
Er grinste mich erneut an und musterte mich von oben bis un ten. Ich lauschte beunruhigt auf die schweren Atemzüge des Prüflings.
»Was wollten Sie sagen, Sie Schinder?«
»Eine ehrliche Auskunft, klar? Normans muß genau das können, was Sie ebenfalls können. Also: Wenn Sie an seiner Stelle wären und wenn Ihr großes Stromaggregat ausgesetzt hätte, was wäre Ihre erste Maßnahme gewesen? Wir nehmen an, daß wir uns auf dem Mond befinden. Den Helm hätten Sie nicht öffnen und freundlich lächelnd um Verzeihung bitten können. Nun?«
»Den Notschalter drücken. Das hat er auch getan.«
»Sicher! Und festgestellt, daß seine Reserve-Speicherbank nicht ansprang. Da hatte er noch Kraft genug. Er drückte noch zwanzigmal und mehr, wurde immer schwächer, und jetzt baut er gleich ab. Was hätten Sie getan? Konnat, das muß ich wissen! Es geht nicht nur um einen schriftlichen Bericht.«
Ich ahnte, daß Normans die schwerste Prüfung seines Lebens verloren hatte. Zehn Monate lang hatte er studiert. Tag und Nacht hatte er vor den Betrachtern gesessen, über fünfzig plastische Operationen erduldet und nebenbei ein Trainingsprogramm absolviert, das einem Hochleistungssportler zur Ehre gereicht hätte.
Dieser Mann war in jeder Beziehung topfit gewesen, bis er Skupin in die Hände gefallen war. Er hatte den Jungen zerbrochen. Ich hoffte, daß er es nur psychisch geschafft hatte.
»Sir, was hätten Sie beim Nichtanspringen des Notaggregates getan?« drängte er. »Ich muß es wissen! Normans muß den letzten Schliff erhalten. Wenn ihm im Ernstfall ein solcher
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