Spätkontrolle aufschlussreich
behandelt. Allmählich nahm es wieder seine normalen Formen an. Die zerplatzten Lippen schlossen sich unter dem feinen Biosyntrin-Nebel. Das synthetisch gezüchtete Zellgewebe begann augenblicklich mit dem Heilungsprozeß.
Man hatte ihm kein Wasser gereicht. Statt dessen hing er an einer Dauertropfinfusion, die sich im Fall einer beginnenden Dehydrierung als wesentlich wirkungsvoller erwiesen hatte als gierig geschluckte Flüssigkeit.
Als er mich sah, wollte er sich aufrichten.
»Bleiben Sie liegen!« wurde er sofort zurechtgewiesen.
Ich winkte ihm zu und musterte ihn nachdenklich.
So sah ich also aus! Das war ich in der Form eines planvoll aufgebauten Doppelgängers. General Reling, Chef der GWA, hatte es bereits vor zehn Monaten für notwendig gehalten, seine beiden einzigen herangezüchteten Telepathen abzusichern und ihnen je ein Double zur Seite zu stellen. Normans sollte immer dann öffentlich auftreten, wenn ich aus Gründen der Taktik im Hintergrund bleiben sollte.
Was das für Normans bedeutete, war klar. Er war unter einigen hunderttausend »vorsortierten« Männern ausgesucht worden. Im Grunde genommen hatte er mir nur im Körperbau genau geglichen. Alles andere hatten unsere Biologen, Biochemiker und Chirurgen bewerkstelligt.
Er besaß einen hohen Intelligenzgrad, die wissenschaftliche GWA-Ausbildung und entsprach nach einem entsprechenden Training allen körperlichen Anforderungen, die auch an mich gestellt wurden.
Heute, am 18. Januar 2011, sollte er seine letzte Bewährungsprobe ablegen, ehe wir ihn zum erstenmal einsetzen wollten.
Ich sah in zwei große, blaue Augen, die vor ihrer biologischen Umfärbung braun gewesen waren. Sie flehten mich an.
Ich mußte gegen meine aufwallenden Gefühle ankämpfen. Haben Sie schon einmal vor Ihrem Doppelgänger gestanden? Man sieht sich ganz anders als im Spiegel! Man erblickt jede Winzigkeit im rechten Seitenverhältnis und stellt fest, daß dieses oder jenes besser sein könnte. Man bemerkt jede Unzulänglichkeit, vor allem aber stellt man bei sachlicher Betrachtung fest, daß man nicht so vollendet ist, wie man bei der häufigen Unterdrückung der Objektivität glaubte.
Ich räusperte mich.
Moris J. Normans war mit seinem neuen Gesicht sehr zufrieden – sagte er! Er bezeichnete sich als interessant, wenn auch keineswegs schön.
»Normans«, sprach ich ihn an, »weshalb haben Sie den zerbrochenen Notschalter nicht entfernt und die Drähte kurzgeschlossen? Das müßte Ihnen doch in den Sinn gekommen sein! Es handelt sich um eine Selbstverständlichkeit.«
Er lachte humorlos auf. Die Stimme klang tief und sonor.
Er richtete sich auf den rechten Ellenbogen auf. Links war die Tropfinfusion angelegt worden. Die Flüssigkeit rann sehr schnell in seine Vene. Sie normalisierte nicht nur seinen Wasserhaushalt, sondern kräftigte ihn auch unerwartet schnell. Er würde tatsächlich nach zehn Minuten wieder auf den Beinen stehen und sogar handlungsaktiv sein können.
»Kunststück, Sir«, begehrte er auf. »Das war mein erster Gedanke, aber der Rückentornister schwenkte nicht herum. Ich kam nicht an die Schalterhalterung heran. Sir, ich trage einen schweren Raumanzug in Massivkonstruktion, an dem nur die Gelenkmanschetten beweglich sind. Da soll mir einer vormachen, wie man an den tiefliegenden, ohnehin kaum zu fassenden Schaltersockel herankommen kann.«
Ich atmete befreit auf. Skupin deutete mein Lachen richtig.
Er schaute erst mich an, dann Normans, um sich danach auf den Bauch zu legen.
»Bleiben Sie auf der Seite liegen«, fauchte er Normans an. »Oder wollen Sie mir mit Ihrem Tornister
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