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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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jeder halbwegs erzogene Mensch der Gastgeberin Blumen mit. Wie hatte ich nur auf die bescheuerte Idee kommen können, dass der Strauß für mich war? Jetzt dachte Otto bestimmt, dass ich …
    Weiter kam ich nicht, denn er holte unter dem Strauß eine einzelne roséfarbene Rose hervor und reichte sie mir. »Glaubst du, ich erinnere mich nicht mehr?«, fragte er nur, und sein intensiver Blick ging mir durch und durch bis in den kleinen Zeh.
    Meine Gesichtsfarbe wechselte von Kalkweiß zu Dunkelrot, als ich die Blume nahm und daran roch. Einfach himmlisch! » Grazie «, hauchte ich und entzog mich dem unangenehm-angenehmen Moment, indem ich schnell hinzufügte: »Sorry, aber wir müssen uns beeilen. Mein Vater kann es nicht leiden, wenn nicht pünktlich um eins das Essen auf dem Tisch steht, und es ist gleich zwanzig vor. Er ist da ein bisschen, na ja … deutsch eben.«
    »Super, dafür bin ich ein bisschen italienisch, wenn es ums Genießen geht. Das passt doch, oder?«
    Ich zog es vor, darauf nicht zu antworten, sondern knuffte ihn in die Seite und sagte: »Komm, du Genießer, das Essen wartet. Nonna und mamma werden groß auftischen für dich, ich hoffe, du hast Hunger.«
    In welchem Umfang die beiden tatsächlich auftischten, hätte ich mir allerdings in meinen gruseligsten Alpträumen nicht ausmalen können. Mir blieb förmlich die Spucke weg, als ich eine Viertelstunde später mit Otto ins Wohnzimmer trat und vor der für vierzehn Personen gedeckten Tafel stand. Meine Mutter hatte doch tatsächlich die halbe Verwandtschaft eingeladen, um ihnen den Ehrengast vorzuführen, den sie nun vor aller Augen abküsste.
    » Carissimo , das wäre doch nicht nötig gewesen, so schöne Blumen. Aldo, sieh nur, daran könntest du dir ruhig mal ein Beispiel nehmen. So ein wohlerzogener junger Mann.«
    Das versammelte Publikum staunte nicht schlecht, während mein Vater, erbost über den öffentlichen Tadel, die Stirn krauszog. Neben meinen Eltern, den Zwillingen und nonna waren auch noch zia Marisa, zio Gaetano, der alte Gigolo, sowie Tante Sandra und Onkel Emilio aus Cattolica mit ihren drei selbst für italienische Verhältnisse grässlich unerzogenen Kindern zum Essen geladen. Beim Anblick der verwöhnten kleinen Mädchen, die ständig wegen nichts losheulten, bekam ich augenblicklich schlechte Laune.
    Die Gäste waren alle schon da, hatten bloß auf uns gewartet, und da mich wohlweislich niemand vorgewarnt hatte, konnte ich Otto nicht mal auf die Invasion vorbereiten. Augen zu und durch, dachte ich bloß, während ich fieberhaft überlegte, wen ich dafür zur Rechenschaft ziehen sollte, falls der »wohlerzogene junge Mann« heute zu dem Schluss käme, mit einer Frau, die einen solchen Rattenschwanz hinter sich herzog, niemals eine Beziehung eingehen zu können. Ich könnte mit dieser Entscheidung zwar nicht leben, aber ich würde sie nur zu gut verstehen.
    Während sich die ganze Sippe auf Otto stürzte und ihn mit Fragen löcherte – zum Glück sind wir Italiener ja weder neugierig noch schüchtern –, stand ich da wie bestellt und nicht abgeholt. Lediglich mein Vater hielt sich auffällig unauffällig im Hintergrund und war nach der eher knapp gehaltenen Begrüßung intensiv damit beschäftigt, den Wein zu entkorken. Entgegen meiner Befürchtung wirkte Otto erst mal nicht allzu eingeschüchtert oder sonst wie verschreckt, sondern hörte konzentriert zu und versuchte so gut es ging Rede und Antwort zu stehen.
    »Wieso ist der nicht blond?«, zischte zia Marisa meiner Mutter zu, die gerade eine Blumenvase aus dem Sideboard nahm.
    Wenn sich hier noch einer über Ottos Haarfarbe auslässt, dann greife ich zur Handgranate, dachte ich und blaffte von hinten: »Weil er in einen Topf mit Schuhcreme gefallen ist.« Etwas Besseres war mir auf die Schnelle leider nicht in den Sinn gekommen.
    Meine Tante zuckte erschrocken zusammen, was mir einen tadelnden Blick meiner Mutter eintrug.
    Schlimm genug, dass die komplette Familie bei uns angetanzt war, um Otto in Augenschein zu nehmen, kaum dass er einen Fuß auf italienischen Boden gesetzt hatte. Jetzt fühlte sich offenbar auch noch jeder bemüßigt, den Besucher aus Deutschland zu kritisieren und zu bewerten, als würde unter den besten Rezensenten ein Preis ausgelobt. Mir gefielen seine dunklen Haare – ach was, der ganze Kerl. Alles andere war ja wohl egal.
    Früher hatte es mich seltsamerweise nicht gestört, dass bei uns – wie vermutlich in den meisten anderen

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