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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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»damit hättest du jetzt nicht gerechnet, was?«
    »Nein, niemals. Gibt’s noch mehr davon?«
    Nonna strahlte übers ganze Gesicht.
    »Ja, klar«, fiel ich ein, ehe sie etwas sagen konnte. »Beispielsweise sind die Tagliatelle der Hochzeitsfrisur von Lucrezia Borgia nachempfunden, und die Fusilli entstanden am Hof von Cosimo I. de Medici.«
    »Das war doch der Herzog von Florenz. Wann war das noch?«, fragte Otto nach.
    Ich zuckte die Achseln und sah nonna an.
    »Um fünfzehnhundertfünfzig«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen, und sie ließ es sich auch nicht nehmen, die Geschichte selbst zu Ende zu erzählen. »Der Koch des Herzogs hatte nicht bemerkt, dass ein Teil seines Pastateigs auf den Boden gefallen war, wo sein dreijähriger Sohn saß und mit den Stricknadeln der Großmutter spielte. Der kleine Junge, nicht dumm, nahm einfach den Teig und wickelte ihn um eine der Nadeln. Das war die Geburtsstunde der Fusilli.«
    Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis die Tortellini an jenem Abend endlich fertig geformt waren, und nonna hätte fast ihre geliebten Nachrichten im Fernsehen verpasst. Mit meiner Hilfe bekam Otto sogar ein paar recht ordentliche Bauchnabel hin, und am Ende waren alle zufrieden. Auch babbo , der mit Sicherheit begeistert, wenn auch äußerlich regungslos, die Nachricht vernahm, dass Otto und ich den gesamten Nachmittag und den halben Abend unter der Aufsicht seiner Schwiegermutter verbracht hatten. Ich glaube, er war ihr zum ersten Mal im Leben aufrichtig dankbar.
    Jedenfalls verabschiedete er sich sehr freundlich von Otto und betonte noch mal ausdrücklich, wie sehr er sich darauf freue, ihn am Ostersonntag an der Familienfesttafel willkommen heißen zu dürfen.
    Wer’s glaubt, wird selig, dachte ich nur. Aber egal: Otto durfte mitfeiern, und das war die Hauptsache.
    Später im Bett fiel mir siedend heiß wieder ein, dass ich Vale versprochen hatte, sie zurückzurufen. Mit Sicherheit war sie jetzt beleidigt, da sie sich ohnehin ständig beschwerte, dass ich nur noch Zeit für Otto hätte. Dabei stimmte das überhaupt nicht. Oder höchstens ein klitzekleines bisschen.
    Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen und tippte daher schnell: »Bitte verzeih mir, ich melde mich gleich morgen früh. Bacio , Angela.«

8.
    Für Ostersonntag hatte mamma , wie es seit Jahren in unserer Familie Tradition war, halb Norditalien zum Mittagessen zu uns eingeladen. Hätte Otto auch nur im Entferntesten geahnt, was für ein italienischer Tsunami da auf ihn zurollt, er wäre sicher mit der nächstbesten Maschine zurück nach München geflogen oder gleich über die Alpen gelaufen. Doch noch war alles wie immer. Seit Tagen stand meine Mutter von früh bis spät in der Küche und schnippelte, brutzelte und rührte vor sich hin. Sie war ganz in ihrem Element. Meist fing sie schon sechs Wochen vor Ostern an, sich über das Menü und die Dekoration Gedanken zu machen.
    Nonna wurde alljährlich mit eingespannt und war für die Produktion der Teigwaren zuständig, die sie im Akkord fertigte. Dass sie sich von Otto hatte helfen lassen, war eine Riesenausnahme, denn normalerweise waren ihr die Tortellini heilig, und außer ihr formte nun mal keiner perfekte Bauchnabel. Selbstverständlich kamen bei uns an hohen katholischen und anderen Feiertagen ausschließlich hausgemachte Nudeln auf den Tisch. Alles andere wäre in den Augen meiner Mutter ein kulinarischer Offenbarungseid schlimmster Ausprägung.
    Seit sieben Uhr, und das an einem Sonntag, war unsere komplette Familie nun schon auf den Beinen. Selbst die Zwillinge, die sich sonst vor allem zu drücken verstanden, was nach Arbeit roch, hatte babbo heute früh aus den Federn gejagt. Zwar brummelten sie die ganze Zeit schlecht gelaunt vor sich hin, aber sie fassten mit an.
    Wir waren ein eingespieltes Team. Während ich zusammen mit meinem Vater seinen Fernsehsessel und den Couchtisch ins Schlafzimmer räumte, holten meine Schwestern alle verfügbaren Stühle vom Dachboden und befreiten sie auf der Terrasse mit dem Teppichklopfer und einem Lappen von ihrer Staubschicht.
    Gemeinsam errichteten wir die Festtafel, die dank eines ausgeklügelten Systems jeden verfügbaren Millimeter in dem keinesfalls kleinen Wohnzimmer nutzte. Das Sofa schoben wir ganz an die Wand, den Fernseher in die Ecke neben der Terrassentür, und die beiden Palmen quartierten wir in den Flur aus. An den ausgezogenen Esstisch stellten wir zwei Klapptische, die nicht exakt gleich hoch

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