Spatz mit Familienanschluß
versprach, daß er ihn zu seiner bella bionda zurückbringen werde, und die Dame schwor, auf ihn zu warten, war er zu diesem Sonderdienst bereit. Mit einer Preßluftflasche brachte er den Sportwagen sehr schnell wieder auf die Beine, beziehungsweise auf die Räder, sah auf die Uhr, verlangte Nachtzuschlag, was summa summarum 7 500 Lire bedeutete. Herr Bergmann erhöhte diese Summe um weitere zehntausend, was die Polizisten mit Applaus bedachten. Endlich konnten sie alle dorthin, wohin sie wollten. Familie Bergmann inklusive Sohn und Giorgio hatten den kürzesten Heimweg ins Hotel hinüber, Guiseppe, der Nothelfer, kehrte zu seinem Deutschunterricht im da Cesare zurück, und die Polizisten durften nach Hause.
In der Hotelhalle wünschte Giorgio eine gute Nacht, einen angenehmen Schlaf und wunderschöne Träume.
Herr Bergmann umarmte ihn und klopfte ihm auf die Schulter. Frau Bergmann gab ihm flüchtige Küsse auf beide Wangen, und Markus schüttelte ihm schlaftrunken die Hand, ein Gähnen unterdrückend.
Hotelgäste, vor allem die deutschen, in der Halle und an der Bar, die mittlerweile erfahren hatten, was Markus angestellt hatte, warfen ihm entsprechend strafende Blicke zu, besonders die Autobesitzer und deren Gattinnen.
»Der Junge hat im guten Glauben gehandelt«, entschuldigte der grauhaarige Signore Umberto, der Nachtdienst hatte, seinen jungen Gast.
Da schon alle etwas gesagt haben, möchte ich auch etwas sagen, wenn es auch nicht wichtig ist.
Ich bin meistens zu Hause und komme immer gern von der Schule heim. Immer gibt es eine nette Begrüßung durch Mama. Nur, daß sie nachher alles genau wissen will was in der Schule los war, was der Lehrer gesagt hat und was die Schüler geantwortet haben, das geht mir manchmal auf die Nerven.
Auf jeden Fall gehen mir aber meine Schwestern noch viel mehr auf die Nerven. Beim Mittagessen quasselt Schwesterchen Kathrin ununterbrochen, wer wen was gefragt und wer wem was geantwortet hat. Wer wem während des Unterrichts ein Briefchen schrieb und wer nicht. Ich hab noch nie einer ein Briefchen geschrieben, das fehlte noch! Einmal hat Dachdecker einen Brief von Bruno abgefangen. >Maike, ich liebe dich so, daß es mir weh tut.< Und das hat er noch laut vorgelesen. Keiner hat ihn damals gemocht, und Maike hat gesagt: >Ihm möchte ich etwas Böses antun.< Das hat sie gesagt. Aber wieder zu Kathrin: Wenn eine oder einer falsch geantwortet hat, lacht sie sich einen Ast ab. Einmal mußte sie so viel lachen, hahaha, daß ihr die Suppe mitsamt den Flädle aus den Nasenlöchern wieder herauskam. Ich mußte lachen, und da wollte sie mir eine langen, ich hab ihre Hand aber abgeblockt, und da ging ihr Schlag, platsch, mit der flachen Hand in meinen Suppenteller hinein. Ich hatte gerade erst zwei Löffel voll gegessen. Merkwürdig war, daß Stefanie am meisten schimpfte, und zwar nicht nur, weil ihr mindestens drei Dutzend Flädle im Haar hingen, sondern auch deswegen, weil sie bei jedem Essen den Blick gierig auf meinen Teller richtet, nämlich um zu sehen, was da für sie übrigbleibt. Wenn ich sie ärgern will, esse ich meine Portion auf. Aber das gelingt mir leider nur sehr selten. Ich bin nämlich sehr schnell satt.
Außerdem mag ich Tiere. Darum möchte ich auch Verhaltensforscher werden. Da kann man stundenlang einem Tier Zusehen und aufschreiben, was man beobachtet hat. Am liebsten mag ich Vögel. Vor allem, wenn sie nicht scheu sind. Im Garten haben wir eine Reihe von Vögeln. Meisen, Amseln, Kleiber, Kernbeis-ser, Dompfaffen, Grünfinken, Erlenzeisige, Bachstelzen. Am liebsten ist mir aber der Gartenrotschwanz. Arbeite ich im Garten, kommt er herbei und schaut mir zu. Er setzt sich auf alles mögliche. Auf den Spatenstiel, den Rand der Schubkarre oder den zusammengeklappten Sonnenschirm. Das gefällt mir.
10
Am nächsten Morgen erfuhren die Hotelgäste, daß es doch besser gewesen wäre, die Reifen des pfeilschnellen Sportwagens in dem luftleeren Zustand zu belassen, in den Markus sie versetzt hatte. Der Wagen war nämlich mitsamt den frisch aufgepumpten Rädern vom Parkplatz verschwunden. Markus stand plötzlich wieder im Mittelpunkt des Interesses der Polizei. Diesmal nicht als Beschuldigter, sondern als einzig möglicher Zeuge. Er mußte im Büro Giorgios noch einmal alles berichten, was er, beziehungsweise der Spatz Lucas Altamura, beobachtet und gehört hatte. Das rotweißgestreifte T-Shirt wurde nun ebenso amtlich wie die dunkelblaue Schirmmütze mit dem goldenen
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